■ Standbild: Hirn- und nierenlos
Tatort: „Der Entscheider“, So., 20.15, ARD
Schon Wahnsinn, was uns die Asylanten so ins Land bringen: Mord, Drogen, Organraub, von der völligen Versklavung der Blumenverkäufer ganz zu schweigen. Wahnsinn auch, was sich Jochen Senf alias Kommissar Palu nach akribischer Auswertung der Bild-Zeitung so alles in sein eigenes Drehbuch geschrieben hat. Mit dem Stoff hätte sich der Mann bis ins nächste Jahrtausend beschäftigen können – allein, es wurde nur ein „Tatort“ daraus.
Bei einem derart mit Klischees überladenen Plot müssen ein paar Handlungsstränge zwangsläufig auf der Strecke bleiben: So fragt man sich noch am Montagmorgen, warum der kurdische Journalist, der bereits ohne Nieren herumlief, auch noch erschossen werden mußte. Traurig war auch das Schicksal seiner Witwe, die völlig ohne Zuschauerbeteiligung im Verhau ihrer Peiniger einsaß – schließlich galt es zunächst, den Kommissar als kauzig-gediegene Mischung aus Manfred Krug und Schimanski zu etablieren: Im schicken Citroän DS düste Palu durch ein sonniges Saarbrücken, labte sich an Sushi und Bratwurst und beschloß erst nach einigen Packungen Gauloises (savoir vivre!), die verfah- rene Chose auf Wallraff-Art zu lösen.
Nicht als Türke Ali, sondern als schnauzbärtiger Algerier landete er inkognito auf dem Seziertisch der Organ-Mafia, die mit Unterstützung deutscher Behörden allerlei Verwertbares aus ihren Opfern schnippelte. Doch noch bevor das Skalpell in Palus anästhesierte Wampe dringen konnte, ergriff die deutsch/französische Kripo-Entente die Initiative und erschoß den Hauptverdächtigen. Einfach so.
Positiv soll hier erwähnt sein, daß nach diesem wirren Kriminalstück vom türkischen Botschafter bis zu Manfred Kanther einige fiese Gestalten Grund haben, ordentlich sauer zu sein. Weniger schön, daß bei der verwobenen Häufung aller denkbaren Delikte die wahren politischen Sachverhalte auf der Strecke blieben. Denn daß ausgerechnet der reaktionären türkischen Tageszeitung Hürriyet unterstellt wurde, sie würde prokurdisches Material veröffentlichen, ist schon recht hanebüchen. Oliver Gehrs
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