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„Erfolgsbilanz“ zur Abschiebehaft in Grünau

■ Flüchtlingsbetreuer kritisieren jedoch Bericht von Innensenator Schönbohm

Ein Jahr nach Inbetriebnahme des Abschiebegefängnisses in Grünau hat Innensenator Schönbohm (CDU) gestern dem Senat eine „Erfolgsbilanz“ vorgelegt. Die Abschiebehäftlinge seien weitgehend in Sammelunterkünften mit bis zu sechs Personen untergebracht, heißt es in dem Bericht. In den Zellentrakten herrsche „große Freizügigkeit“. Die Förderung von sozialen Kontakten habe zu einer „deutlichen Entspannung“ der Haftsituation für die Betroffenen geführt.

Dagegen kritisierte der evangelische Seelsorger Johannes Biedermann, daß der im Abschiebegewahrsamsgesetz vorgesehene Beirat bis heute nicht eingesetzt worden sei. Auch gebe es außer dem Hofspaziergang praktisch keine Freizeit- oder Beschäftigungsmöglichkeiten für die Gefangenen. Das obligatorische Informationsblatt über ihre Rechte werde Neuinsassen häufig vorenthalten. So würden viele Insassen weder wissen noch verstehen, warum sie hinter Gittern sitzen.

„Oft wird Insassen das Abkratzen von Wänden als Vergehen vorgeworfen“, kritisierte eine Sprecherin der Antirassistischen Initiative. Zwar würden die Verfahren meistens eingestellt, doch werde damit deutlich, wie monoton und aussichtslos der Alltag im Abschiebegewahrsam verlaufe.

Nach Angaben der Innenverwaltung liegt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Insassen bei nur zwölf Tagen. Nach Schätzungen von Biedermann stellt sich bei einem Drittel der Ankömmlinge nach zwei Tagen heraus, daß sie eine Aufenthaltsberechtigung besitzen. Nach der Identitätsüberprüfung müßten sie dann freigelassen werden. Diese Fälle würden die Statistik verfälschen. Gereon Asmuth

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