: „Ich persönlich habe da nie Probleme gehabt“
■ Zweiter Tag beim Prozeß gegen die Mahlower, die ein Auto mit drei britischen Arbeitern in einen Unfall gehetzt haben. Der Bürgermeister als Zeuge zeigt Verständnis für „Frust“
Potsdam (taz) – Die Angeklagten sitzen wie am ersten Tag der Verhandlung gegen sie auf ihrer Bank: ruhig. Mario P., 24 Jahre, gibt sich selbstsicher. Er witzelt mit seinem Verteidiger. Der 18jährige Sandro R. blickt zu Boden, flüstert gelegentlich seinem Anwalt ins Ohr. Die Mahlower werden beschuldigt, im Juni ein Auto mit drei britischen Bauarbeitern verfolgt und einen Stein in deren Fahrzeug geworfen zu haben. Der Jaguar endete an einem Baum, sein Lenker sitzt seither im Rollstuhl.
Gestern trat der Mahlower Bürgermeister Werner La Haine als Zeuge vor der Jugendkammer des Potsdamer Landgerichts auf. Er war in Presseberichten mit der Aussage zitiert worden, daß die Briten gegen den Baum gefahren seien, weil sie nach dem Steinwurf den Golf der Angeklagten verfolgt hätten. Indirekt soll er zudem Verständnis für den „Frust“ der Mahlower Jugend auf die ausländischen Bauarbeiter geäußert haben.
Als Richter Claus Przybilla den hauptberuflichen Lehrer fragt, ob die Mahlower ausländerfeindlich seien, antwortet er: „Als alter Mahlower antworte ich mit Nein.“ Der 56jährige beteuert, nie zugunsten der Angeklagten ausgesagt zu haben. Und die Presseberichte? „Verzerrt.“
Schildern habe er nur wollen, mit welchen Problemen die Menschen in Mahlow leben müßten. Viele wären arbeitslos, Lehrstellen knapp. Andererseits arbeiteten viele Ausländer in seiner Gemeinde. „Das sorgt halt für Frust.“ Przybilla fragt: „Aber wir sind uns doch einig, daß die Ausländer keine Schuld daran haben?“ La Haine: „Ich sage ja nur, wie es ist.“
Von der Clique der Angeklagten, die sich regelmäßig abends am Bahnhof traf und Passanten anpöbelte, weiß der Bürgermeister so gut wie nichts. „Ich bin da abends nicht. Ich weiß nicht, wer sich da trifft.“ Beschwerden von Mahlower Bürgern seien ordnungsgemäß weitergeleitet worden. Auch über Ausländerhaß in dieser Gruppe könne er nichts sagen. Einer der Verteidiger hakt an dieser Stelle ein. „Der Bahnhof ist doch das Entree der Stadt. Sind Sie da denn nie gewesen?“ – „Ich persönlich habe da nie Probleme gehabt.“
Die entscheidende Frage, ob der Steinwurf zu dem Unfall geführt habe oder nicht, wurde gestern mit Hilfe einer technischen Rekonstruktion geklärt. Und die ergab, daß es „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht so gewesen sein kann, wie die Angeklagten behaupten. „Selbst Michael Schumacher hätte das nicht geschafft“, sagte der zuständige Polizeibeamte.
Eine Entschuldigung der Gemeinde Mahlow an die Adresse der Opfer gab es bislang nicht. Der Bürgermeister berichtete von einem Fußballspiel mit Spendenaufruf. Wieviel denn da zusammengekommen sei? „Keine Ahnung. Muß ich passen.“ Florian Gless
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen