: Wenn Polizisten gegen Polizisten ermitteln
■ Trotz Reform werden Polizeiopfer kriminalisiert: Heute Kontrollkommission-Debatte
Polizisten, die Polizisten kontrollieren: Das kann nicht der Objektivität letzter Schluß sein. Zu diesem Ergebnis kam der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei in seinem Abschlußbericht, der heute in der Bürgerschaft debattiert wird. Alle Fraktionen fordern den Senat auf, eine beim Parlament angesiedelte Kontrollkommission einzuführen.
Doch Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) sträubt sich leidenschaftlich; er glaubt, Besserung sei bereits eingetreten. Die „Ps3“ (Polizeisachen) wurde in „Dienststelle für Interne Ermittlungen“ (DIE) unbenannt und der Behördenleitung unterstellt.
Doch was hat sich tatsächlich verbessert? Ähnlich wie bei dem verprügelten Senegalesen Dialle D., der den Polizeiskandal auslöste, wurde auch in diesem Jahr bei dem Studenten Alexander N. in die entgegengesetzte Richtung ermittelt. Der Afro-Deutsche und Sprecher der „Black Students Organization“ rief nach dem Tod eines Flüchtlings auf einem Harburger Wohnschiff im Juni zu einen Trauermarsch auf. In einem Flugblatt beschuldigte er die Polizei, den afrikanischen Jugendlichen zum Panik-Sprung ins Wasser veranlaßt und ihn dann nicht gerettet zu haben.
DIE bat den 26jährigen um Mithilfe bei der Aufklärung der Vorwürfe. Gleichzeitig wurde aber bereits gegen ihn ermittelt. „In den Akten werde ich als Kameruner oder ,Nationalität ungeklärt' geführt“, so der Student. Weil bis 1976 Kinder binationaler Herkunft nicht die Nationalität der Mutter annehmen durften, bekam Alexander erst mit sechs Jahren einen deutschen Paß.
DIE habe aufgrund seiner Hautfarbe „automatisch recherchiert, ob man mit dem Ausländerrecht gegen mich vorgehen kann“. Man versuche, ihn „einzuschüchtern, in meiner Meinungsfreiheit einzuschränken und zu kriminalisieren“. Die Ermittlungen gegen die Polizisten wurden eingestellt. Dafür muß sich nun Alexander wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Nötigung und Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit verantworten.
Ähnliche Täter-Opfer-Verdrehungen gab es auch in zwei anderen Fällen, in denen DIE ermittelte. Suleiha Ö. (22) wurde im April von Polizisten mißhandelt. Als sie auf der Davidwache Anzeige erstatten wollte, wurde sie nicht nur durchsucht „wie eine Kriminelle“, sondern auch von DIE-Beamten aufgefordert, „sich gut zu überlegen“, ob sie bei ihren Beschuldigungen bleiben wolle. Letztlich wurde sie wegen „falscher Verdächtigung“ zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zahlen muß auch Sükrü D. (30). Er nahm an dem Trauermarsch für die beiden Sandbeker Jugendlichen teil, die im Mai von einem Zug überrollt wurden. Als es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, trug Sükrü D. Prellungen am ganzen Körper davon, wie Atteste belegen. Verurteilt wurde er, weil er einen Polizisten gebissen haben soll. Silke Mertins
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