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■ NachschlagDer Fürst spricht: Jan Peter Bremer und sein Verleger

Kennen Sie noch das Spiel aus der Schulzeit, mitzuzählen, wie oft der Lehrer „äh“ sagt? Ich habe es mir nicht verkneifen können: Bei Mathias Gatza waren es 21 „äh“ in der Minute. Auf diese etwas schleppende Weise stellte der Verleger (Edition Gatza bei Eichborn) und Lektor seinen gleichaltrigen Freund und Autor Jan Peter Bremer (Jahrgang 65) vor.

Eigentlich hatte die Literaturwerkstatt alle Veranstaltungen mit deutschen Schriftstellern für dieses Jahr gestrichen. Nachdem die Einrichtung gezwungen war, einen Teil der Programmittel für die Gehälter der Angestellten zu nutzen, konnten nur noch die langfristig mit ausländischen Autoren vereinbarten Verpflichtungen eingehalten werden. Als Notlösung sind nun die Verlage und die Akademie der Künste eingesprungen. In einer Reihe von Lesungen stellen sie ihre Autoren vor und berichten zugleich über ihre Arbeit mit den Schriftstellern. Jan Peter Bremer, der diesjährige Gewinner des Bachmann-Preises, gab den Auftakt. Bremer las aus dem Text „Der Fürst spricht“. Auf ganze 77 Seiten ist das Buch im Lauf seiner Entstehung zusammengeschrumpft, drei- bis viermal größer ist der Umfang der verworfenen Textteile. Die Verdichtung auf eine überschaubare Kulisse, auf wenige Figuren und eine karge Sprache, in der kurze Hauptsätze dominieren, ist charakteristisch für die Prosa von Bremer. Dabei spielt der Autor mit Versatzstücken aus der Märchenwelt (das Schloß, der Fürst, der Hofmeister und der neue Verwalter usw.) und verlegt die Handlung in die historische Ort- und Zeitlosigkeit. Ein neuer Verwalter kommt ins Schloß, der Fürst trauert einem verendeten Hund nach, kleinen Kindern wird ein Bein abgehackt, um sie als Bettler tauglich zu machen usw. Bremer verzichtet auf die gewichtige Parabel zugunsten der vielen kleinen erzählerischen Einfälle. Gatza gibt das Stichwort: Nicht um ein Geschichtspanorama ist der Autor in seinen Texten bemüht, sondern um ein sprachliches Balancesystem. Die Veranstalter in der Literaturwerkstatt haben es tatsächlich geschafft, durch die lebendige Mixtur aus Verlegergespräch und Lesung aus der Not eine Tugend zu machen. Peter Walther

Weitere Veranstaltungen: 4.12. (Felicitas Hoppe), 5.12. (Thorsten Becker, Ingo Schramm), 10.12. (Christa Schmidt, Ilja Trojanow), 11.12. (Wolfgang Hilbig, Ingomar von Kieseritzky, Marion Titze), 12.12. (Klaus Schlesinger), jeweils um 20.00 Uhr in der Literaturwerkstatt in Pankow (Majakowskiring 46/48)

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