: Krankenlohn zu teuer
■ Arbeitgeber-Verbände rügen Tarifabschluß in Niedersachsen
Bonn (taz) – Die Arbeitgeberverbände sehen die Voraussetzung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze noch nicht für gegeben. Bezeichnend dafür sei der Abschluß in der niedersächsischen Metallindustrie vom Donnerstag, in dem an dem Grundsatz der 100prozentigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall festgehalten wurde. Die Vertreter der Dachverbände von Industrie, Handel, Handwerk und Arbeitgebern waren sich gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz einig, daß die gesetzliche Regelung der Kürzung der Lohnfortzahlung auf 80 Prozent in den Betrieben durchgesetzt werden müsse.
Zur Zeit greife diese erst bei etwa 40 Prozent aller Arbeitsverhältnisse. Überall dort sei der Krankenstand in den Betrieben zurückgegangen, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Klaus Murmann. Bei der niedersächsischen Metallindustrie werden künftig lediglich Überstunden und Zuschläge aus der Bemessung der Lohnfortzahlung herausgenommen. Es müsse aber der Grundsatz gelten, „daß Nichtarbeit nicht genauso bezahlt werden kann wie Arbeit“, erklärte Murmann.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, bezeichnete den Abschluß in Hannover für Ostdeutschland als „völlig indiskutabel“. Gerade dort müsse der Standortvorteil der längeren Arbeitzeiten sowie von Tariföffnungsklauseln ausgenutzt werden.
Als verhängnisvoll bezeichnete Henkel „die Weigerung der SPD“, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen, die bisher nur in den alten Bundesländern erhoben wird, aber im kommenden Jahr auch in Ostdeutschland eingeführt werden müßte. Viele mittelständische Unternehmen in den neuen Ländern würden dadurch zum Konkursrichter getrieben.
Der BDI-Präsident nannte als Beispiel eine GmbH mit einer Million Eigenkapital, Dauerschulden von sechs Millionen Mark und einer Rendite von fünf Prozent. Diesem Unternehmen, welches vor Gewerbesteuern 50.000 Mark Gewinn mache, entstehe nach Abzug der Gewerbesteuer ein Verlust von 26.000 Mark.
Die Vertreter der Arbeitgeberverbände räumten ein, daß die Bundesregierung den Arbeitgebern durch eine Reihe von Maßnahmen entgegengekommen sei wie bei der Kürzung der Lohnfortzahlung und der Lockerung des Kündigungsschutzes. Dies reiche aber nicht aus. Die Lohnzusatzkosten müßten von heute 42 Prozent auf unter 40 Prozent gesenkt werden. Zudem sei eine radikale Steuerreform mit einer deutlichen Nettoentlastung erforderlich.
Der von Koalitionspolitikern angefachten Diskussion über die Mehrwertsteuererhöhung erteilten die Arbeitgeberverbände eine Abfuhr. Hans Peter Stihl, Präsident des Deutschen Industrie und Handelstages, kritisierte, daß dadurch nur der Druck auf die Ausgabendisziplin verringert werde. Markus Franz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen