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Pionierarbeit und Seifenblasen

■ Renate Kammer feiert ihr 30jähriges Galeristinnen-Dasein in Hamburg mit einer großen Jubiläumsausstellung – ein Porträt

30 Jahre Galeristin-Dasein in Hamburg – das ist schon eine große Feier wert. Denn als Renate Kammer ihre Galerie 1966 gründete, war Hamburg noch künstlerisches Niemandsland – zumindest was die zeitgenössische Kunst betrifft. Diese Kunst-Szene war im Rheinland angesiedelt, wo 1966 in Köln die erste internationale Kunstmesse Deutschlands entstanden war.

Dennoch ging Renate Kammer in die Kunstprovinz nach Hamburg, genauer: nach Pöseldorf. Blauäugig und im Renault 4, ohne Kapital, ohne Verbindungen und ohne Vorbilder begann sie mit der Pionierarbeit. Gemeinsam mit den Galeristen Brockstedt und Neuendorf schuf sie erste Orte für zeitgenössische Kunst in Hamburg.

Heute erscheint das ungewöhnlich, doch damals trafen diese drei überraschend auch im Norden das künstlerische Lebensgefühl einer Generation, die sich zuhause fühlte, wo Fluxus für Furore sorgte. Diese Künstler brachte Renate Kammer in die Hansestadt, dorthin, „wo Grundstücke und keine Kunststücke gekauft werden“.

In den 70ern war dann in Pöseldorf, wo sich die meisten Galeristen – nicht zuletzt aufgrund der günstigen Mieten – angesiedelt hatten, richtig was los. Der halbe Mittelweg mußte zur Vernissage von David Hockney gesperrt werden. Bis das städtische „Zweckentfremdungsgesetz“ die Kunst langsam aus dem Viertel ausbürgerte und der Lifestyle einzog.

Von der Magdalenenstraße siedelte Renate Kammer in den Böhmersweg. Das war 1981, als auch in der Hansestadt die Kunst zu boomen begann. Die Hamburger Galeristen waren viel unterwegs, boten ihre Waren auf großen Messen feil und nahmen immer dickere Kredite auf. Bis die Seifenblase der Wilden Malerei platzte, und die Preise in den Keller purzelten.

Aus Renate Kammers Sicht hat sich seither viel verändert: Der Künstlertyp wurde ein anderer. Das intensive Verhältnis zwischen Künstler und Galerist ließ nach. Alle wollten ganz schnell absahnen. Zum Reifen fehlte die Zeit.

Kein Wunder, daß auch unter den Galeristen mancher müde wurde, andere hörten ganz auf oder besannen sich wie Renate Kammer: „Ich habe einige Rezessionen erlebt, da muß man sich was Neues einfallen lassen.“ Noch einmal zog sie um, zum Münzplatz in der City Süd. Seit 1993 stellt sie dort vordringlich Architektur aus, von Zaha Hadid über Herzog & de Meuron bis Steve Holl zeigt sie hier die unterschiedlichsten Strömungen der Baukunst in einem Galerieraum, der über ein großes Schaufenster die Passanten willkommen heißt. Neue Gesprächspartner sind gern gesehen, weil Stagnation tödlich sei. Da echot Fluxus nach: „Spielerisch und bereit, alles, was passieren könnte, zuzulassen, um zu sehen, ob etwas Interessantes darunter ist“, wie es der Fluxuskünstler Robert Watts einmal umschrieben hat.

Deshalb kann die Jubliäumsausstellung auch keine chronologische Rückschau sein, da hätte Renate Kammer die Spannung gefehlt. Sie möchte Fluxus und Pop-Art in einen spannenden Dialog stellen: Beuys und Rauschenberg, Roth und Dine, Al Hansen und Hockney. Alle, von denen „ich ganz, ganz viel gelernt habe“.

Sabine Haßler

Galerie Kammer, Münzplatz 11, Di-Fr, 12-18 Uhr, Mi/Do, 12-20 Uhr, Sa, 11-14 Uhr, bis 11. Januar

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