"Warum nicht nach Bosnien?"

■ Graf von Einsiedel ist der einzige Bundestagsabgeordnete der PDS, der am Freitag im Bundestag voraussichtlich für einen Einsatz der Bundeswehr in Bosnien stimmen wird

taz: Sie werden gemeinsam mit Kohl und Rühe ihre Hand heben. Keine Probleme damit?

Graf Einsiedel: Ich habe im Verteidigungsausschuß schon vor Monaten gesagt, daß eine Verlängerung des Ifor-Einsatzes in Bosnien notwendig ist, zu einer Zeit also, als der Verteidigungsminister behauptet hat, daß der Bosnien- Einsatz in jedem Fall 1996 zu Ende geht. Ich habe das schon damals für ein Sich-selbst-in-die-Tasche-Lügen gehalten. Rühe hat genau gewußt, daß Ifor verlängert wird.

Meiner Meinung nach ist der Dayton-Vertrag nur ein labiler Waffenstillstand. Ohne eine militärische Absicherung wird ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Gruppen in Bosnien nicht möglich sein.

Gegner dieses Einsatzes sagen, daß Friedenssicherung eine klassische Aufgabe der UNO ist und daß die Nato Bosnien instrumentalisiert, um sich als globale Ordnungsmacht zu profilieren.

Die UNO hat sich in Bosnien diskreditiert.

Sie ist von der Nato, insbesondere von den Amerikanern, aber auch bewußt handlungsunfähig gemacht worden.

Sicher, aber ich kann nur Politik machen, wenn ich mich auf die Welt einlasse so wie sie ist. Natürlich ist die UNO schwach, aber wollen wir warten bis sie reformiert ist? Die UNO selbst hat der Nato schließlich das Mandat für ein militärisches Eingreifen erteilt.

Die Fehler der internationalen Gemeinschaft in Bosnien berühren Ihre Zustimmung also nicht?

Man kann stundenlang darüber diskutieren, was über Jahre hinweg alles falsch gemacht worden ist, aber das Leben ist konkret: Das Haus hat gebrannt, und es ist mühsam gelöscht worden. Das hat auch die PDS begrüßt. Und für sich genommen sehe ich keinen Grund, warum sich die Deutschen, wenn sie denn schon einmal in Bosnien sind, an der militärischen Absicherung nicht beteiligen sollten.

Viele in der PDS, bei den Grünen und auch bei der SPD sind dagegen, daß die Bundeswehr eine internationale Interventionsstreitmacht wird. Rühe gehe es vordergründig gar nicht um Bosnien, argumentieren sie.

Da liegt in der Tat ein Problem: Ist der militärische Einsatz in Bosnien die letzte Möglichkeit, um den Menschen dort zu helfen, bleibt es ein Ausnahmefall in einer total verfahrenen internationalen Situation, oder ist dieser Einsatz nur ein erster Schritt, um sogenannte Krisenreaktionskräfte aus Deutschland demnächst in alle möglichen militärischen Konflikte zu schicken? Und da habe ich eher Zweifel, daß die Bundeswehr Zurückhaltung übt. Ihre militärische Kultur ist eine ganz andere.

Das ist ein Argument, das gegen einen Einsatz der Bundeswehr in Bosnien spricht.

Ja, aber andere sprechen dafür. Und ich stimme am Freitag ja nicht über die gesamte Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung ab, sondern über einen konkreten Antrag. Wenn ich den Ifor- Einsatz als solchen nehme, kann ich es auch so sehen: Zum ersten Mal in diesem Jahrhundert werden deutsche Soldaten zur Friedenssicherung eingesetzt, und dem könnte man zustimmen. Aber ich bin innerlich zerrissen. Endgültig entscheiden werde ich mich wohl erst kurz vor der Abstimmung.

Die PDS versteht sich als pazifistische Partei. Haben Sie da mit Ihrer Haltung keine Probleme?

Ein pazifistischer Grundkonsens läßt sich ziemlich weit fassen. Meine Ansichten stehen dem nicht entgegen.

In Ihrer Partei gibt es aber heftigen Streit darüber. Sie haben eine Abgeordnete gerüffelt, die die Bundeswehr angegriffen hat. Haben Sie was gegen Leute, die was gegen die Bundeswehr haben?

Eva Bulling-Schröter hat behauptet, unser Verteidigungsminister schicke die Bundeswehr nach Bosnien, weil „die harten Jungs von der Truppe mal wieder etwas Lebendiges vor der Flinte“ bräuchten. Das ist doch wirklich Schwachsinn. Mir kann keiner unterstellen, ich stünde der Bundeswehr unkritisch gegenüber. Ich bin ein Gegner jeglichen Militarismus. Interview: Jens König