: Von der Tochter an die „dufte Mutti“
Als ich es zum ersten Mal eine tolle Idee fand, Männern die Schwänze abzuschneiden, war ich 15. Alice Schwarzer hatte noch einen schlechten Ruf und ihre Zeitschrift den leidenschaftlichen Dogmatismus sich emanzipierender Frauen, so daß sie für mich als Pubertierende kein identifikationsspendendes Sprachrohr war. „Zu alt, das Ganze“ fand ich damals – wenn auch weit davon entfernt, den Mutter-Tochter-Konflikt zu erkennen.
Später dann, als zu lange Artikel und schlechtes Layout kein Hindernis mehr hätten sein sollen, waren sie genau dieses; Anfang der Neunziger mußten Nachrichten gut verpackt sein, wollten sie mich, die Mittzwanzigerin, erreichen. Zu bunt war die Welt, als daß in Grau gekleidete Larmoyanz eine Chance gehabt hätte, das Popkultur-gestählte Schutzschild zu durchdringen.
Heute, mit Dreißig, wo mir der Gedanke, Männern die Schwänze abzuschneiden, erneut lustvolle Heiterkeit beschert, ist Alice Schwarzer moderat geworden. Sie besucht illustre Talk-Runden, zerbricht sich ihren Kopf beim Rätselraten, kollaboriert mit der „Bild“-Zeitung und anerkannten Chauvi-Ärschen, hebt Tierschicksale ins Heft und lebt an der Seite ihres Kohl- Freundes Biolek kochende Leidenschaften aus.
Im Versuch, die „EMMA“ durch Girlie-Debatten und junge Küken auf dem Titel den Anschluß an das Geschehen nicht versäumen zu lassen, setzt sich nicht nur der Schwarzersche Allmachtsanspruch fort – das Unterfangen mutet so gewollt an wie ihre zur Talk-Schau getragene Versöhnlichkeit und „Normalität“.
Es ist wie damals, wenn die eigene Mutter so ganz besonders dufte tat, weil Besuch da war, oder sie Nähe suchte. Es ist niemals echt, statt dessen peinlich und nervt. Und was kann schlimmer sein, als die eigene Mutter in Talk-Shows zu sehen? Silke Burmester, Journalistin und Mitherausgeberin des Hamburger Frauenfanzines planet pussy
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