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Zeichnen, streicheln

1984 wurde Fritz Weigle ein Lehrstuhl für „Karikatur und Bildgeschichte“ an der Hochschule der Künste in Berlin eingerichtet. Aber da hieß er schon längst F. W. Bernstein. Trotz Professur hat sich der Karikaturist, der mit Robert Gernhardt und F. K. Waechter zum inneren Kreis der „Neuen Frankfurter Schule“ gehörte, recht gut gehalten. Überhaupt scheinen komische Bilder kaum altern zu wollen: Wenn man sich durch Bernsteins „Buch der Zeichnerei“ arbeitet, das jetzt bei Zweitausendeins neu aufgelegt wurde, dann strahlt noch in den Blättern von Jacques Louis David, Alfred Kubin oder Don Martin etwas Humor herüber – ob nun Marie-Antoinette, die bis zum Schafott kühn und frech blieb, oder die stoppelbärtige Lecknasen-Oma, in deren Mieder ein Sheriff nach dem abgetauchten Sträfling forstet. Der MAD-Cartoon gehört neben Seyfrieds „Proletariern“ und Brösels gedankenstreichelndem Tiger zu den elf Lieblings-Bildergeschichten von Bernstein. Der Witz ist nur eine Variante des Zeichnens, das Bernstein vor allem als Bindeglied zur Schrift fasziniert. So halten sich auch Text und Bild auf den bald 550 Seiten die Waage, Künstlerportaits wechseln mit vielhebigen Gedichten auf Dürer oder Plaudereien am Zeichentisch ab. Außerdem erfährt man, daß die Birne des Kanzlers von Charles Phillipons Parodie auf Louis Philipp aus dem Jahr 1833 abstammt. Belehren will Bernstein mit seiner Anthologie des feinen Strichs bei all den Verweisen nicht: „Zeichnerei: damit meine ich, was, wo, wann, wozu und wie wer zeichnet. Das Warum interessiert mich weniger.“ hf

„F. W. Bernsteins Buch der Zeichnerei“, Zweitausendeins, 550 Seiten, geb., 55 DM

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