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Fahren, rasen

Der Deutsche liebt es, hieß es 1936 in der Zeitschrift Straße, „für sich oder mit seiner Familie oder Reisegesellschaft mit der Natur allein zu sein und sich nicht von Fremden beobachtet zu fühlen.“ Die Reichsautobahn, die „Straße Adolf Hitlers“, bahnte auf wundersame Weise den Weg durch den Raum, um sich die anderen vom Leibe zu halten. Zwar ist die Autobahn keineswegs von den Nationalsozialisten erfunden worden, aber bis heute behauptet sie sich als originäre Idee Hitlers. Der „Mythos Reichsautobahn“ erweist sich in mehrfacher Hinsicht als Fabel. Der Ausbau der Autobahnnetzes nach 1933 hatte eher bescheidenen Anteil an der Verringerung der Arbeitslosenzahlen im Dritten Reich. Teil eines lang gehegten Kriegsplanes schien er ebenfalls nicht zu sein, denn erst im März 1939 begann man mit hektischen Belastungsprüfungen von Autobahnbrücken. In ihrem vorzüglich bebilderten Buch rekonstruieren Erhardt Schütz und Eckhard Grüber den Bau und die Inszenierung der Reichsautobahn zwischen 1933 und 1941.

Die Autoren entfalten weit mehr als das Material zu den verkehrs- und kriegspolitischen Phantasmagorien der Nazis. Die Autobahn war nicht zuletzt ein Produkt kollektiver Phantasien. „Auf der Autobahn kriegt man zunächst das Rasen“, hieß es 1938 in Straße. „Das ist menschlich. Man gibt Gas, was das Fahrzeug hergibt.“ Die Freude am Fahren bereitete vor auf eine Lust am Untergang. „Wie wäre es“, schrieb der zum Nationalsozialismus übergewechselte Arbeiterdichter Heinrich Lersch, „wenn jetzt mit Aufkrach und Hirnschlag zerschellend Wagen und Mann Brei von Blut, Öl, Gemenge von Knochen und Gestänge würde ...“ HN

Erhard Schütz, Eckhard Gruber: „Mythos Reichsautobahn“, Ch. Links Verlag, 179 Seiten, 68 DM

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