Das Portrait: Der pessimistische Schwärmer
■ Vance Packard
Es ist kein Zufall, daß Marshal McLuhans subtilem Blick auf die amerikanische Warenwelt keine allzu große Beachtung geschenkt wurde. Zu wirkungsmächtig war 1957 ein Buch gewesen, das die Werbestrategien der Wirtschaft geißelte und der Industrie vorwarf, sie manipuliere ihre Kunden und züchte mittels psychologischer Tricks einen willenlosen Konsumenten heran. Mit „Die geheimen Verführer“ hatte der Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe Vance Packard das Unbehagen in der noch jungen Industriekultur auf eine griffige Formel gebracht. Seine Analysen über Verkaufs- und Werbepsychologien sind seither in die Alltagskultur herabgesunkenes allgemeines Wissen.
Packard war mit seinem Buch nicht weniger gelungen, als Horkheimers/Adornos „Dialektik der Aufklärung“ von 1947 in eine populäre amerikanische Form der Gesellschaftskritik zu gießen. Die „einsame Masse“, die bereits David Riesman diagnostiziert hatte, war „außengeleitet“ und drohte die Demokratie von innen heraus zu zerstören. Der 1914 geborene Vance Packard hatte seine berufliche Laufbahn als Redakteur beim Boston Record begonnen, ehe er für eine Nachrichtenagentur und verschiedene Magazine schrieb.
Immer wieder versuchte Packard in seinen späteren Arbeiten die Praktiken einer monströsen Manipulationsmaschinerie offenzulegen. Dabei verwandelte sich der Theoretiker zunehmend zu einem besessenen Schwärmer. In seinem Buch „Die sexuelle Verwirrung“ beschrieb er die Folgen von Freizügigkeit und häufigem Partnerwechsel und empfahl Enthaltsamkeit vor der Ehe, Monogamie oder Askese.
Der Professor, der in Canaan bei New York lebte, erregte sich in seinem Buch „Die ruhelose Gesellschaft“ über die amerikanische Wurzellosigkeit und sah im modernen amerikanischen Nomadentum den Kern von Jugendkriminalität und Drogenkonsum. Vance Packard verstand es, Phänomene der Alltagskultur schneller als andere zu erkennen und auf einen Begriff zu bringen. Sein theoretischer Drang allerdings, eine umfassende Verschwörung zu enttarnen, ließ ihn zuletzt auch als einen Paranoiker der Soziologie erscheinen. Packard starb, wie erst jetzt bekannt wurde, am Donnerstag im Alter von 82 Jahren auf der Insel Martha's Vineyard in Massaschusetts. Harry Nutt
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