: „Dahinter verbirgt sich eine Unions-Intrige“
■ Peter Glotz stellt Vermutungen an, warum Süssmuth in die Wüste geschickt werden soll
Peter Glotz (57) verabschiedete sich im Herbst nach 24 Jahren als SPD-Abgeordneter aus dem Bundestag. Seine Bilanz im Buch: „Die Jahre der Verdrossenheit“. Jetzt ist er Rektor der Universität Erfurt.
taz: Herr Glotz, muß die Bundestagspräsidentin nun fliegen?
Peter Glotz: Zunächst habe ich den Eindruck, daß sich hinter diesen Veröffentlichungen gegen sie eine Intrige innerhalb der Union verbirgt. Manche in der CDU/ CSU sagen, daß sie sich schon auf Rudolf Seiters freuen. Das zeigt, daß diese Art von Skandal nicht hochgekommen wäre, wenn Rita Süssmuth weniger liberal wäre.
Warum wird Rita Süssmuth in ihrer Partei nicht geschätzt?
Offensichtlich gibt es bei der CSU und beim rechten Flügel der CDU erheblichen Widerstand gegen Frau Süssmuth. Das ist deren gutes Recht – aber kein Grund, alles mögliche zu benutzen, um sie in die Wüste zu schicken.
Was ist aber, wenn die Recherchen der „Bild“ zutreffen und Rita Süssmuth die Flugbereitschaft auch privat genutzt hat?
Wenn sie das getan hätte, ohne den Service zu entgelten, würde das sicher zu Konsequenzen führen müssen. Nun wäre es fair, abzuwarten, was bei der Untersuchung herauskommt. Vizepräsident Ulrich Klose wird am 16. Januar seinen Bericht vorlegen. Danach kann man weiterdiskutieren.
Wie erklären Sie sich diese Aufregung, die jetzt durch „Bild“ und „Bild am Sonntag“ entfacht wird?
Ich arbeite jetzt in Erfurt und kann die Aktivitäten von Herrn Fritzenkötter (Medienkoordinator im Bundeskanzleramt mit besten Kontakten zur Springer-Presse, d. Red.) nicht aus der Ferne bewerten. Ich entnehme nur der FAZ, das Bundeskanzleramt könnte hinter der Kampagne stehen.
Was stört Unionsparlamentarier an ihrer höchsten Repräsentantin im Bundestag?
Sie hat über Jahre eindeutige politische Positionen eingenommen – das ging bei der Debatte um Aids los. Aber auch bei der Diskussion um die deutsche Vergangenheit oder um den § 218 hat sie sich als Liberale zu erkennen gegeben. Das stört viele Leute. Deshalb wird die Diskussion um ihre Flüge in die Schweiz mit Vergnügen aufgenommen. Kein Zufall, daß die Bild mit dieser angeblichen Affäre groß aufmacht.
Weshalb?
Bei dieser Zeitung gibt es gewiß eine Menge Leute, die sich einen schneidigeren Bundestagspräsidenten wünschen.
Ist sie denen etwa zu lasch?
Nein, aber man darf doch nicht verkennen, daß Frau Süssmuth eines der höchsten Ämter in diesem Staat hat. Sie prägt die öffentliche Meinung. Wie der Bundespräsident hat sie einen wichtigen Einfluß, ohne über politische Kompetenzen zu verfügen. Es gibt in der rechten Hälfte unserer Gesellschaft offenbar Menschen, denen der geistige Einfluß, den Frau Süssmuth hat, nicht gefällt. Interview: Jan Feddersen
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