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In Nordirland glaubt man nicht mehr an Frieden

■ Nach dem Anschlag vom Wochenende fürchten Bevölkerung und Politiker eine neue Gewaltspirale. Kaum Hoffnung auf baldige Verhandlungslösung

Dublin (taz) – War es ein einmaliger Vergeltungsschlag, oder ist der zweijährige Waffenstillstand der nordirischen Loyalisten vorbei? Darüber rätseln britische und irische Politiker, nachdem am Sonntag das prominente Sinn- Féin-Mitglied Eddie Copeland in Belfast mit einer Autobombe in die Luft gesprengt und schwer verletzt wurde. Obwohl sich bisher niemand zu der Tat bekannt hat, deutet die Bauart der Bombe auf die Ulster Volunteer Force (UVF) hin. Nach dem IRA-Attentat am Freitag sei „die Rückkehr der loyalistischen Gewalt unausweichlich“, hieß es in UVF-Kreisen.

Die IRA hatte am Freitag auf der Kinderstation eines Belfaster Krankenhauses einen Polizisten niedergeschossen, der als Leibwache für einen unionistischen Politiker abgestellt war. Nigel Dodds, Parteisekretär von Ian Paisleys Democratic Unionist Party, wollte seinen kranken Sohn besuchen. Der Sinn-Féin-Vorsitzende Mitchel McLaughlin sagte: „Diese furchtbaren Ereignisse können nur verhindert werden, wenn es eine politische Lösung am Verhandlungstisch gibt.“

Die erscheint weiter entfernt denn je. Verschiedene Politiker haben gestern gefordert, die loyalistischen Parteien nach der Weihnachtspause von den Mehrparteiengesprächen auszuschließen. David Ervine von der Progressive Unionist Party, die als politischer Flügel der UVF gilt, wehrt sich dagegen. „Ich will das mit aller Deutlichkeit klarmachen“, sagte er. „Wenn die Loyalisten wieder den Krieg erklärt haben, sind wir bei den Gesprächen nicht ihre Repräsentanten.“ Ervine prophezeit, daß die Autobombe eine Spirale in Gang gesetzt hat, die zu einem Konflikt führen könne, der schlimmer sei als das bisher Erlebte.

In der Bevölkerung macht sich offenbar Resignation breit. Zu einer großangekündigten Friedensdemonstration kamen am Samstag lediglich wenige hundert Menschen.

Der ehemalige irische Außenminister David Andrews und sein Bruder Niall, ein Abgeordneter im Europaparlament, machten mangelnden politischen Willen für den erneuten Ausbruch der Gewalt verantwortlich. Die Abhängigkeit der britischen Minderheitsregierung von den nordirischen Unionisten habe dafür gesorgt, daß die nordirischen Gespräche bis nach den britischen Wahlen auf der Stelle treten. Die mit neun Unterhausabgeordneten größte nordirische Partei, die Ulster Unionist Party, hat gestern allerdings bekanntgegeben, daß sie eine politische Allianz mit der europafeindlichen Referendumspartei des Milliardärs und Major-Widersachers James Goldsmith eingehen werde. Man will aber bei Abstimmungen weiterhin von Fall zu Fall entscheiden, so daß John Major wohl bis zum Frühjahr über die Runden kommen wird. Ralf Sotscheck

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