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„Wir demonstrieren weiter, auf jeden Fall“

■ Zoran Djindjić zu dem in Serbien jetzt verfügten Verbot aller Kundgebungen

taz: Herr Djindjić, das Innenministerium hat die Demonstrationen de facto verboten. Es hat erklärt, die Straßen müßten für den Verkehr freibleiben.

Zoran Djindjić: Das ist auch das, was uns das Innenministerium mitgeteilt hat. Das ist natürlich Unfug. Die Wahlfälschungen sind ein politisches Problem, an dem zahlreiche Institutionen des Staates, ja selbst die Gerichte beteiligt waren. Ein solches Problem kann man nicht mit solchen administrativen Mätzchen lösen. Wie sollen untere Staatsorgane ein Problem lösen, das der Präsident selbst geschaffen hat? Wir werden weiterdemonstrieren. Auf jeden Fall.

Hat diese Maßnahme mit Ihrem Erfolg vom 24.12. zu tun?

Ganz gewiß. Ich hatte einen solchen Schritt schon am Mittwoch erwartet. Der Präsident hat mit einer leeren Pistrole auf uns geschossen. Seine Jubeldemonstration war ein Fiasko. Er sitzt wirklich in der Klemme.

Glauben Sie, daß Miliz und Polizei jetzt gegen die Demonstranten vorgehen werden?

Wir demonstrieren inzwischen in 50 Städten in ganz Serbien. Der Präsident hat gar nicht genug Polizei, um gegen alle Demonstrationen vorzugehen. Mit polizeilichen Mitteln ist das Problem ganz sicher nicht zu lösen. Milošević hat schon zu viele Fehler gemacht. Wenn er jetzt gegen uns vorgeht, wird das zu seinem Sturz führen, auch wenn wir wissen, daß es schwer ist, ein diktatorisches Regime zu stürzen.

Was erwarten Sie von der anstehenden Entscheidung der OSZE?

Wir erwarten, daß sie zu einem klaren Schluß kommt, nämlich daß die Wahlen gefälscht wurden. Wir erwarten ferner, daß die OSZE dies öffentlich sagt. Dann ist es an Milošević zu handeln.

Würden Sie auch Neuwahlen akzeptieren?

Wir haben uns in Zajedno darauf verständigt, daß zuallererst die Wahlergebnisse korrigiert werden müssen. Dann können wir an einem runden Tisch über anderes reden, über die Freiheit der Medien, die Unabhängigkeit der Gerichte und anderes mehr.

Viele Menschen auf der Straße sagen, Europa soll helfen, einen Ausweg zu finden. Setzen Sie Hoffnung auf Europa?

Unser Volk hat zu einem großem Teil erst durch die europäischen Fernsehkanäle von der Wahlfälschung und von unseren Demonstrationen Kenntnis bekommen. Das ist schon viel, und dafür sind wir dankbar. Eine direkte Einmischung wäre aber nicht das richtige Mittel, um diese politische Krise zu lösen.

Sie demonstrieren in Belgrad nun schon länger als 1989 die friedliche Opposition in Prag. Sind Sie stolz?

Ja, ich bin sehr stolz und sicher, daß wir noch länger demonstrieren werden. Ich werde meine Rede heute am Donnerstag abend auf der Abschlußkundgebung mit dem Satz beginnen: Entweder wir haben das beste Volk auf der Welt oder aber die schlechteste Regierung.

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