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Sicherheit für zwölf Mark Stundenlohn

■ Ministerpräsident Berndt Seite will in Mecklenburg ehrenamtliche Polizisten anheuern. Innenminister Geil konnte ihm gerade noch deren Bewaffnung ausreden

Schwerin (AFP) – Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Möglichst bereits im März sollen 250 ehrenamtliche Polizisten für mehr Sicherheit im Lande sorgen. Doch bis zur ersten freiwilligen Polizeitruppe in Norddeutschland ist es noch ein weiter Weg. Der Koalitionspartner SPD stellt sich ebenso quer wie die oppositionelle PDS und die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Nun wird in der Großen Koalition nach einem Kompromiß gesucht.

Seite betont jedenfalls, mit der noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammenden Freiwilligen Polizeireserve Berlins, in deren Reihen wiederholt auch Rechtsextreme entdeckt wurden, habe sein Vorschlag ebensowenig zu tun wie mit den freiwilligen Helfern einst bei der DDR-Volkspolizei. Er sehe keinen Unterschied zur Freiwilligen Feuerwehr oder zur ehrenamtlichen Tätigkeit im Sportverein, verkündete Seite diese Woche wieder einmal und sprach von „bürgerschaftlichem Engagement“ und „neuen Formen der politischen Beteiligung“. Im November war er – ohne die SPD zu fragen – vorgeprescht und hatte sein Konzept veröffentlicht.

Innenminister Rudi Geil (CDU) konnte den Ministerpräsidenten gerade noch davon abhalten, die Polizeihelfer mit Waffen und regulärer Polizeiuniform ausrüsten zu lassen. Seite hatte sich am Modell Baden-Württembergs orientiert, wo 1.200 Ehrenamtliche seit 1985 fast den hauptamtlichen Polizisten gleichgestellt sind. Nun sollen Schlagstock, Handschellen und Reizgas sowie Funkgerät und Dienstfahrrad den Ehrenamtlichen in Mecklenburg-Vorpommern als Ausrüstung dienen. Für zwölf Mark Stundenvergütung sollen sie in Absprache mit den Polizeidirektionen Streife laufen, Ausweise und auch den Verkehr kontrollieren und sogenannte Platzverweise aussprechen dürfen, so der CDU-Vorschlag.

Das kommt dem Konzept Bayerns recht nahe, wo knapp 200 Angehörige einer „Sicherheitswacht“ mit Armbinde Dienst schieben. Was 1993 als auf drei Jahre angelegter Versuch gestartet wurde, ist dort ab 1997 eine Dauereinrichtung.

Die Schweriner SPD fühlte sich von dem Hilfssheriff-Ansinnen Seites hintergangen. Sozialminister Hinrich Kuessner, stellvertretender Ministerpräsident, nannte den Vorschlag „ein Armutszeugnis“. Seite gestehe damit ein, nicht mehr Herr der Lage zu sein. Das Land habe mit 6.100 Beamten die höchste Polizeidichte (306 pro Einwohner) aller deutschen Flächenländer. Die Polizisten müßten nur besser ausgerüstet werden. Wenn Normalbürger mitarbeiten sollten, dann nur in Zivil und mit einem Handy ausgerüstet im Rahmen einer Sicherpartnerschaft. In Brandenburg wird dieses Modell bereits ausprobiert.

Die Profis von der GdP und von der Deutschen Polizeigewerkschaft halten von den Ehrenamtlichen ohnehin wenig: Sicherheit werde so nur vorgaukelt. „Das ist Augenwischerei“, sagt der GdP- Landesvorsitzende Michael Silkeit. Seite und Geil sollten die Polizei lieber von Verwaltungsaufgaben und anderem Schreibkram befreien. Die PDS sieht zudem die Gefahr, daß sich auch solche Bürger melden, „die ganz gern mal mit dem Schlagstock für Ruhe und Ordnung sorgen wollen“. Seite will dies mit einem Eignungstest verhindern. Ein Kompromiß zwischen CDU und SPD ist bisher noch nicht in Sicht. Im Gespräch ist ein Modellversuch in nur einer Stadt.

In den Haushaltsberatungen für 1997 spielen die ehrenamtlichen Polizisten jedenfalls bisher noch keine Rolle. Auf immerhin 1,2 Millionen Mark im Jahr werden die zusätzlichen Personalkosten geschätzt, dazu 265.000 Mark für die Erstausrüstung.

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