: „Ich hake diesen Fall auch ab“
■ Dokumentation: Frau Christiansen fragt, Herr Augstein antwortet
Am Donnerstag führte Sabine Christiansen für die „Tagesthemen“ ein Interview mit Spiegel- Herausgeber Rudolf Augstein, das sich unter anderem mit der taz-Veröffentlichung über ehemalige SS- Offiziere beim Spiegelbeschäftigt.
Sabine Christiansen: (...) Wohin soll das Blatt Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren gehen?
Rudolf Augstein: Das ist nicht in erster Linie meine Sache. Aber ich denke, daß alle, die im Spiegel beschäftigt sind, dessen Untergang nicht mehr erleben werden.
Herr Augstein, „eine typische Allwissenheit, die an allem zweifelt, nur nicht an sich selbst“ – so nannte Hans Magnus Enzensberger die Spiegel-Masche oder die Blattrezeptur schon 1956. Warum haben Sie dann ehemalige SS-Offiziere in den fünfziger Jahren als Ressortleiter beschäftigt?
Es sind drei richtige Fälle, die kann ich erklären. Da war der Kriminalrat Bernd Wehner, der wurde mein Polizeireporter, im übrigen war er kein SS-Mann natürlich, sondern ein Hauptmann der Kriminalpolizei, der 1954 die Kripo in Düsseldorf übernahm. Der Fall ist schon erledigt damit. Dann Georg Wolff, der war nie Nationalsozialist, er war ein naiver Europäer. Er hat mich beschimpft, weil ich so national sei, und niemand hat über die Achse De Gaulle–Adenauer so anrührend geschrieben wie er. Er war ein großer Journalist. Und litt bis zuletzt an der unbestreitbaren Tatsache, daß er Hauptsturmführer im SD gewesen war. Ich hake diesen Fall auch ab.
Eine derartige Entschuldigung oder Erklärung hätten Sie als Journalist bei anderen kaum durchgehen lassen. ... ein guter Journalist ... Wirren der Nachkriegszeit ... das hätte Ihnen doch nie gereicht.
Warum sollte ich mich auf Akten stützen, wenn Leute, die gescreent waren, mir als Menschen und Journalisten tüchtig genug erschienen? Die Vergangenheit war bei Wolff nicht entscheidend. Im Gegensatz zu Adenauer und den Amerikanern haben wir die doppelte Buchführung nie betrieben.
Sehen Sie da jetzt noch Bedarf, ich sag' mal für die jüngeren Mitarbeiter Ihres Blattes, diese Frühgeschichte etwas aufzuarbeiten?
Ich würde gerne eine Stunde lang mit jüngeren Leuten darüber sprechen, und wir haben ja nicht so viel, wie wir wissen. Vorentscheiden Sie das, und ich komme.
Ich nehme Sie beim Wort. Vor welchem Politiker oder vor welcher Politikerin, Herr Augstein, hatten Sie Achtung oder haben Sie sie heute?
Ich habe die wohl größte Achtung, wie ich nachträglich feststelle, vor Konrad Adenauer gehabt. Ich war der erste Journalist, der ihn überhaupt interviewte und ich war auch der letzte, der das tat. Und das freut mich heute noch, und das rührt mich an. (...)
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