: Liberaler Streit um Wehrpflicht findet später statt
■ Der einflußreiche Baden-Württembergische Landesverband stellt Antrag zurück, der die Aussetzung der Wehrpflicht ab dem Jahr 2002 vorsieht. Julis für Abschaffung
Stuttgart (taz) – Die Zerreißprobe in der FDP über die Abschaffung der Wehrpflicht ist vertagt. Auf dem Parteitag der baden- württembergischen FDP am Vortag des heute beginnenden Dreikönigstreffens in Stuttgart wurden die Anträge des Landesvorstandes sowie der Jungen Liberalen zur Aussetzung beziehungsweise Abschaffung der Wehrpflicht überraschend vertagt – angeblich aus Zeitgründen. Der Landesvorsitzende Walter Döring hatte das Thema in seiner Rede erst gar nicht erwähnt, ebenso wie der Fraktionsvorsitzende Ernst Pfister.
Einige Delegierte äußerten die Vermutung, daß das traditionelle Dreikönigstreffen nicht durch das emotionsgeladene Thema überschattet werden sollte. Während die Bonner Parteiführung an der Wehrpflicht festhalten will, plädieren immer mehr FDP-Landesverbände dagegen. So etwa Schleswig- Holstein, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die baden- württembergischen Jungen Liberalen sprechen sich eindeutig für die Abschaffung der Wehrpflicht aus.
Der Landesvorstand hingegen, der dem einflußreichsten Landesverband innerhalb der FDP vorsteht, hat sich eine ganz spezielle Variante einfallen lassen. Er tritt in seinem Antrag zwar praktisch für die Abschaffung der Wehrpflicht ein, verpackt dies aber in die Worte: Die FDP „tritt dafür ein, die allgemeine Wehrpflicht grundsätzlich beizubehalten, sie jedoch ab dem Jahre 2002 auszusetzen“. Was nichts anderes bedeutet als: erst mal abschaffen! Bei einer anderen Sicherheitslage heißt es, könnte die Wehrpflicht wieder eingeführt werden.
Als Begründung für ihren Antrag bezieht sich der Landesvorstand auf ein Zitat des Bundespräsidenten Roman Herzog: „Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, daß ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit wirklich gebietet.“ Das sei zur Zeit nicht der Fall. Aus der Lage „eines Frontstaates mit extrem kurzen Vorwarnzeiten“ sei Deutschland in eine Lage geraten, in der es nur noch von Bündnispartnern und befreundeten Nationen umgeben sei. Unter diesen Umständen gebiete es schon allein die Wehrgerechtigkeit, auf die Wehrpflicht zu verzichten.
Die FDP zieht daraus die Konsequenz, daß der Zivildienst automatisch entfallen muß. Eine allgemeine Dienstleistungspflicht in Gestalt eines sozialen Jahres lehnt der Landesverband ab. Der Staat habe sich „gefälligst“ des Arbeitsmarktes zu bedienen. Markus Franz
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