Privatsekretär auf Staatskosten

Erste Konsequenz in der Affäre Meyer-Verheyen: Die Abgeordnete tritt aus der Statt Partei aus, um ihrem Rauswurf zu entgehen  ■ Von Silke Mertins

Rotraut Meyer-Verheyen vom SPD-Regierungspartner Statt Partei denkt praktisch und vor allem an den eigenen Vorteil: Nicht nur die Räume im Souterrain ihres Hauses dienten gleichzeitig als Abgeordneten-Büro und Sitz ihrer Firma Hausmeyer Hausverwaltung. Ihr Bürgerschaftsassistent Rudi Bäcker war zugleich als Ansprechpartner für die MieterInnen der Volksvertreterin tätig. Nach dem Hamburger Abgeordneten-Gesetz ist eine Verquickung von Mandat und Geschäft jedoch eindeutig unzulässig (taz berichtete).

Als ihr Assistent seine Verwaltungstätigkeit auf 580-Mark-Basis kündigte, schrieb Meyer-Verheyen ihm in einem Brief mit Rathaus-Briefkopf am 8.7.96: „Grundlage für Ihre Einstellung als Mitarbeiter im vergangenen Jahr war Ihre Eignung (...) für die Doppelfunktion als Mitarbeiter im Abgeordnetenbüro und für eine Tätigkeit in meiner Hausverwaltung.“ (siehe Ausriß). Weiter heißt es in dem Schreiben: „Durch Ihre Kündigung bei Hausmeyer haben Sie diese Grundlagen maßgeblich verändert, und ich werde erst in den nächsten Monaten feststellen können, ob sich die Abkoppelung für mich arbeitsmäßig bewältigen läßt. Danach werde ich entscheiden.“ Rudi Bäcker ging.

„Ich würde Frau Meyer-Verheyen am liebsten sofort rausschmeißen“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Statt Partei, André Becker, nachdem ihm der Meyer-Verheyen-Brief gestern von der taz vorgelegt worden war. „Sie hat uns belogen.“ Die Statt Partei sei gerade gegen diese Politiker-Unsitte, „in die eigene Tasche zu wirtschaften“, angetreten. Der geschäftsführende Landesvorstand beschloß deshalb gestern, ein Parteiausschlußverfahren einzuleiten und Meyer-Verheyen die Mitgliederrechte vorläufig abzuerkennen. Zudem wurde sie aufgefordert, sofort ihr Mandat niederzulegen.

Einem Rausschmiß kam sie jedoch zuvor: Am späten Nachmittag trat Meyer-Verheyen aus der Statt Partei aus. Ihre Begründung: Die Statt Partei sei ein „Chaotenhaufen“. Ihr Mandat allerdings will sie behalten.

Die Rathaus-Stattianer stehen derweil unter Schock. „Dazu fällt mir nichts mehr ein“, erklärte Statt-Gruppen-Chef Achim Reichert. Er habe Rotraut Meyer-Verheyen bereits vor mehreren Monaten auf die Allround-Nutzung ihres Assistenten angesprochen. Sie habe entgegnet, daß das Beschäftigungsverhältnis bereits aufgekündigt sei und außerdem die Bürgerschaftskanzlei ohnehin keine Einwände erhoben habe. „Das weise ich entschieden zurück“, reagiert der Sprecher der Bürgerschaftspräsidentin, Karl Stellmacher.

Ergibt die Prüfung des Falls, daß Meyer-Verheyen gegen das Gesetz verstoßen hat, muß sie alles zurückzahlen: Rund 50.000 Mark Gehalt allein für ihren Assistenten Bäcker im Zeitraum vom 1.6.95 bis zum 30.11.96. Möglicherweise verlangt die Bürgerschaft auch die Zuschüsse für das Abgeordnetenbüro von 700 Mark monatlich zurück. Denn „eine zeitliche und räumliche Trennung zwischen meinen beiden Tätigkeiten gab es nicht“, so Ex-Assistent Bäcker. Unterlagen und Zettel mit Arbeitsaufträgen, die Meyer-Verheyen dem 33jährigen Grundstückskaufmann auf den Tisch legte, seien nie nach Arbeitsbereichen getrennt gewesen.

Auch gibt es keinen Zweifel daran, daß er bei Rotraut Meyer-Verheyen angestellt war: Beide Arbeitsverträge – die der taz vorliegen – wurden am selben Tag abgeschlossen, beide sind von ihr unterschrieben. Die Erklärung der Abgeordneten, die Firma gehöre ihrem Mann, und man habe Bäcker eine „kleine Nebenbeschäftigung“ gegeben, weil er mit dem Geld der halben Assistenten-Stelle nicht auskam, kann nur auf Meyer-Verheyens eigensinniges Verhältnis zur Wahrheit zurückgeführt werden.