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Sender zu Tierheimen

■ Kommissar Rex hat einen Tierserien-Boom ausgelöst: Im ZDF läuft "Unser Charly" durchs Programm, und auf RTL ermittelt "Kommissar Schimpanski"

„Mit Kindern und Tieren kannst du nicht verlieren“ lautet eine alte Journalistenweisheit, und deshalb werden sie ständig auf Titelseiten oder vor die Kameras gezerrt. Doch vor allem für die Tiere wird die Medienkarriere schnell zum Alptraum: So durfte der Orca Keiko, Titelheld des Nautik-Epos „Free Willy“, erst auf energisches Betreiben von Tierschützern das Happy-End des Filmwals erleben. Und bei den Dreharbeiten zum deutschen Kinderfilm „Rennschwein Rudi Rüssel“ wurde angeblich ein Schwein so lange alkoholisiert, bis es volltrunken dahinsiechte.

Um solche Vorfälle zu verhindern, ist bei amerikanischen Produktionen für Film und Fernsehen die Anwesenheit eines Vertreters der American Humane Association Vorschrift. Er überwacht die artgerechte Behandlung der Tiere am Set. In Deutschland gibt es bislang nichts Vergleichbares, kamen doch in hiesigen Produktionen Tiere nur am Rande vor. Seitdem aber ein deutscher Schäferhund als „Kommissar Rex“ auf Sat.1 herumkläfft und Quote macht, will plötzlich jeder Sender auch Tierheim sein: Im ZDF geistert in „Unser Charly“ (ZDF) ein Schimpanse durchs Programm, und auch RTL setzt mit „Kommissar Schimpanski“ voll auf Primat-Fernsehen.

Außerdem steht bei RTL noch „ein Bär für alle Fälle“ in Lohn und Futter. In der bärigen TV-Serie verliebt sich eine Großstadtreporterin in einen bodenständigen Mann vom Land, der sein Heim mit einem zotteligen Urviech teilt – offenbar die deutsche Antwort auf „Crocodile Dundee“.

„Wenn die Tiertrainer die Tiere mißhandeln, treiben sie Schindluder mit ihrem eigenen Kapital“, sieht Armin Kaiser, Producer von „Unser Charly“, das Thema Tierschutz vor der Kamera ganz pragmatisch. Für ihn gilt: Je wichtiger die Rolle des Tieres innerhalb einer Produktion, desto besser wird es behandelt. So macht Charly- Darsteller Zach Punkt 18 Uhr Schluß. „Er ist schließlich ein Äquator-Tier. Die machen dann Feierabend“, sagt Kaiser. ZDF- Redakteur Hans-Georg Schmidt ist sogar überzeugt, daß es dem Affen besser gehe als manchem menschlichen Kollegen.

Tatsächlich geht es Zach, der seine Kindheit in einem Versuchslabor der Universität von Missouri verbrachte, in Berlin ganz gut. Sein amerikanischer Trainer Keith Bauer, der eigens vom ZDF engagiert wurde, hält ihn mit Kitzeleinheiten und Kämpfen bei Laune. „Ich versuche alles, damit es ihm soviel Spaß wie möglich macht“, verspricht Bauer. Die meisten Drehbuchanweisungen für den öffentlich-rechtlichen Affen entsprächen ohnehin seinem natürlichen Verhalten; andere, wie z.B. das Umdrehen eines Zündschlüssels, habe er lernen müssen. Doch auch hier macht sich Bauer den natürlichen Nachahmungstrieb des Tieres zunutze: „Ein Affe hat in der Natur zwar kein Auto, doch die Drehbewegung entspricht einem natürlichen Bewegungsablauf“, sagt Bauer, der sonst für „Working Wildlife“ arbeitet – der Tierfarm des Komikers Steve Martin. Der hält sich in den Bergen nahe Los Angeles rund 100 Tiere – darunter Löwen, Bären und Tiger. Damit ist das 30 Hektar große „Working Wildlife“ eine der bedeutendsten Tieragenturen in Hollywood. Bauer hat unter anderem die Tiger für Siegfried und Roy trainiert und war während der Dreharbeiten für Jean-Jacques Annauds Film „Der Bär“ für die Bären verantwortlich. Mit Zach verbinde ihn und seine Tochter eine regelrechte Freundschaft. Glück für Zachs Schauspielerkollegen, für die es sonst recht gefährlich würde: Denn wenn sich Tiere in unvorhergesehenen Situationen erschrecken, beißen sie auch schon mal zu.

Auch Petra Gerster („Mona Lisa“), die viermal im Jahr fürs ZDF die Sendung „Achtung! Lebende Tiere!“ moderiert, kann sich gut vorstellen, daß Dreharbeiten den Tieren tatsächlich Spaß machen, „wenn sie optimal betreut und tatsächlich nur so lange in Anspruch genommen werden, wie sie Lust dazu haben“. Sie räumt zwar ein, daß man insgesamt viel zuwenig über die Drehbedingungen wisse, verweist aber auf Mißstände, die aus der Sicht des Tierschutzes weitaus skandalöser seien: „Die Regierung muß die Batteriehaltung von Legehennen und zu enge Ställe verbieten.“ Vielleicht kann das ZDF ja mal eine Hühner-Serie drehen und einige davon retten. Tilmann P. Gangloff

„Unser Charly“, heute, 16.10 Uhr, ZDF

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