piwik no script img

Miniatursärge für die Mieter

Wohnungsterror in Barmbek-Süd: Nächtliche Drohanrufe, Päckchen mit Plastikskeletten und ein Bordell über dem Kinderladen  ■ Von Marco Carini

Anonyme Drohanrufe, telefonische Beleidigungen, mysteriöse Päckchen mit sonderbarem Inhalt. Die MieterInnen der Wohnanlage Döscherstraße 1-5 in Barmbek-Süd werden seit Wochen von einem Unbekannten systematisch terrorisiert. Inzwischen ermittelt sogar die Kriminalpolizei. Sie soll herausfinden, ob es ein bloßer Zufall ist, daß der Terror just in dem Moment begann, als das Haus seinen Besitzer wechselte.

Denn der Anonymus hat großes Interesse daran, daß die 22 Mietparteien schnellstmöglichst das Weite suchen. Im Dezember wurden viele MieterInnen mehrfach mitten in der Nacht aus dem Schlaf geklingelt und telefonisch als „Stricher“, „Schlampen“ oder „Flittchen“ beschimpft. Stets lautete der Nachsatz: „Wann ziehst Du endlich aus?“ Fast zeitgleich stellte sich per Brief der neue Hausbesitzer, Arne M. den MieterInnen offiziell vor. Er wünsche sich, so schrieb der Neubesitzer, mit den BewohnerInnen eine „angenehme Partnerschaft“. Die wird aber auch ohne Telefon-Terror so angenehm nicht werden. Denn Arne M. will die Miet-Wohnungen schnellstmöglich in Eigentum umwandeln und meistbietend verscherbeln. Den Mieterinnen bot er bereits ihre Wohnungen zu einem Rekordpreis von über 5.000 Mark pro Quadratmeter an. Inzwischen preist er die überteuerten Wohneinheiten auch über Zeitungsannoncen an.

Mindestens einem Bewohner kündigte der partnerschaftswillige Eigentümer an, einen Besichtigungstermin für dessen Wohnung per Gerichtsbeschluß zu erwirken. Darüber hinaus drohte Melzer mit einer Schadensersatzklage, falls der Mieter nicht freiwillig die Tür öffne. Zuvor hatte der „Mieterverein zu Hamburg“ seinen in der Döschnerstraße wohnhaften Mitgliedern empfohlen, keine Besichtigungen zuzulassen, bis sich Arne M. nicht zweifelsfrei als neuer Eigentümer ausgewiesen habe. Denn im Grundbuch ist der Verkauf des Barmbeker Wohnkomplexes noch nicht eingetragen.

Wenig erfreut sind die Döscherstraßen-MieterInnen zudem darüber, daß Arne M. nach eigenem Bekunden eine mietpreistreibende Luxussanierung des Häuserkom-plexes mit Einbauküchen, Videoüberwachung und Mamorbädern plant. Viel Spaß haben die BewohnerInnen der Wohnanlage auch mit ihren neuen Nachbarn: Direkt über einem in dem Hauskomplex untergebrachten Kinderladen zog im vergangenen Jahr ein Bordellbetrieb ein. Die Kleinen genießen seitdem akustischen Aufklärungsunterricht der besonderen Art.

Bislang letzter Höhepunkt des Barmbeker Gruselkabinetts: Am Freitag erhielten mindestens drei Mietparteien Pakete von einem anonymen Absender. Unter der Verpackung kam jeweils ein in einem Miniatursarg liegendes Skelett zum Vorschein. Und auch mit diesem geschmackvollen Präsent, soviel scheint sicher, hat Arne M. natürlich rein gar nichts zu tun.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen