Schwedens Geschäfte mit Nazigold

Die schwedische Regierung wußte, daß Deutschland das kriegswichtige Eisenerz mit geraubtem Gold bezahlte. Und sie setzte diese Geschäfte trotz Warnungen bis 1944 fort  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Stockholm (taz) – Die Schweiz ist nicht das einzige vermeintlich neutrale Land, aus dessen Bankkellern derzeit die peinliche Wahrheit über lukrative Geschäfte mit Nazigold nach oben dringt. Gestern berichtete der schwedische Rundfunk die Ergebnisse einer eingehenden Recherche über die Politik von Regierung und Reichsbank im Zweiten Weltkrieg, die nur einen Schluß zuläßt: In Stockholm wußte man ganz genau, daß Deutschland mit gestohlenem Gold das schwedische Eisenerz für die Rüstungsfabriken bezahlte und sich damit außerdem die international konvertierbare schwedische Währung verschaffte.

Nach Dokumenten, die der Historiker Göran Elgmeyr unter Mithilfe des Exdiplomaten Sven Erik Hedin in schwedischen und ausländischen Archiven ausfindig machte und die jetzt erstmals in der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter und der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurden, stellt sich nicht mehr die Frage, ob Schweden wissentlich Raub-Gold in seinen Tresoren stapelte, sondern nur noch, wieviel.

Zwischen Kriegsbeginn und Mitte 1944 erhielt Schwedens Reichsbank 34,5 Tonnen Gold aus Deutschland. Dies im Tausch gegen schwedische Kronen, mit denen Berlin international handeln konnte, und als Bezahlung für über 35 Millionen Tonnen Eisenerz aus nordschwedischen Gruben, ein Rohmaterial, das Hitlers Rüstungsschmieden für den Materialnachschub an die Front dringend brauchten. Details aus der Geschichte des neutralen Schweden, die man dort am liebsten in Vergessenheit geraten lassen wollte.

Das Nazigold war bislang das größte dieser Kriegstabus. Die jetzt aufgetauchten Dokumente machen klar, warum: Reichsbankchef Ivar Rooth fragte im Februar 1943 offiziell bei seiner Regierung an, ob die Reichsbank etwa Gefahr laufe, Teile des von Deutschland eingehandelten Goldes nach einer etwaigen Kriegsniederlage Hitlers an die wahren Eigentümer zurückgeben zu müssen. Einige Tage zuvor hatten die Alliierten die neutralen Länder Schweiz, Schweden und Portugal ausdrücklich vor weiterem Goldhandel mit Nazideutschland gewarnt und auf die Herkunft dieses von Deutschland bei Banken in besetzten Ländern zusammengestohlenen Schatzes aufmerksam gemacht.

Nein, lautete die klare Antwort des damaligen Handelsminister Herman Erikson: Die Regierung wünsche vielmehr ausdrücklich, daß der Handel mit Deutschland wie gewohnt fortgeführt werde und – eine derartiges Vorgehen hatte Rooth vorgeschlagen – die deutsche Reichsbank auch nicht nach der Herkunft des Goldes gefragt werden sollte. Diese Linie wurde bis März 1944 beibehalten. Erst nach einer erneuten Warnung der Alliierten an Stockholm wurden die Goldgeschäfte mit Deutschland beendet.

Daß Nazideutschland mit geraubtem Gold bezahlte, war der Regierung in Stockholm nicht nur aus einem einfachen Rechenexempel ersichtlich, sondern konkret über die auch während des Krieges bestens funktionierenden Finanzverbindungen der kriegführenden Länder. Deren Zentralbankchefs trafen sich regelmäßig bei der Zahlungsausgleichsbank BIS („Bank for International Settlement) in Basel und hatten besten Überblick über den internationalen Zahlungsverkehr.

Schwedens Reichsbank konnte in einem geheimen Bericht an die Regierung nach Kriegsende daher recht exakt angeben, daß mindestens 20 Tonnen des von Deutschland erhaltenen Goldes „Risikogold“ sei, das man möglicherweise zurückgeben müsse. Was Stockholm natürlich keinesfalls freiwillig tat. Sechs Wochen lang mußte Belgien 1946 mit Schweden verhandeln. Erst, als handfeste schriftliche Beweise aus dem deutschen Reichsbankarchiv vorlagen, rückte Schweden 7.150 Kilo Gold heraus. Die Niederlande mußten bis 1954 warten, bis sie endlich 505 Barren aus ihrem nationalen Goldschatz zurückerhielten.

Nach der vermutlich eher zu vorsichtigen Rechnung des Reichsbankchefs Rooth von 1945 lagern nach Abzug des widerwillig Zurückgegebenen heute noch mindestens acht Tonnen des von Nazideutschland geraubten Goldes in den Tresoren der schwedischen Reichsbank. Nachdem im Gefolge der Schweizer Enthüllungen auch in Schweden das ungeliebte Thema auf die Tagesordnung gekommen ist, hat die Reichsbank nun die seit über 50 Jahren überfällige gründliche Untersuchung angekündigt.