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Autos bleiben außen vor

Im Westen Lüneburgs soll eine Siedlung entstehen, bei der Lebensqualität und Umweltbewußtsein im Mittelpunkt stehen  ■ Von Jörg Walser

Ihre Zukunft stellen sie sich in einer grünen Umgebung vor, ohne Lärm und Gestank. In einer Gegend, wo die Kinder zum Spielen auf die Straße gehen können. Sie wollen umweltbewußt leben und sind dafür bereit, auf die eigene Benzinkutsche zu verzichten. Um ihren Traum zu verwirklichen, haben rund 30 LüneburgerInnen vor kurzem einen Verein gegründet: den „Autofreies Wohnen e. V. Lüneburg“.

Noch ist alles nur ein Plan. Der sieht vor, eine Siedlung zu schaffen, die ganz auf ein autoloses Dasein ausgerichtet ist. Garagen und große Autostellplätze sind nicht geplant. Statt dessen soll das Wohn-Viertel auf die Bedürfnisse von RadfahrerInnen und FußgängerInnen zugeschnitten werden, eine möglichst gute Busanbindung den Weg für längere Strecken freimachen. Für besondere Fälle stehen für die SiedlerInnen „Stattautos“ bereit.

Die Voraussetzungen dafür, daß der Traum vom abgasfreien Wohnen Wirklichkeit wird, sind günstig. Die Lüneburger PolitikerInnen zeigen sich dem Projekt gewogen: Mit den Stimmen von SPD und Grünen hat der Stadtrat 1995 beschlossen, die autofreie Siedlung baurechtlich zu unterstützen. Die Stadt hat sich außerdem bereit erklärt, die obligatorische Ablösesumme für nicht gebaute Pflicht-Stellplätze – 9000 Mark pro Platz – so lange zu stunden, wie sich die BesitzerInnen des Grundstücks kein Auto anschaffen.

Daß der Verein bislang nur 30 Leute zählt, liegt für Sprecher Martin Burka daran, daß die Pläne noch wolkig sind: „Die Leute fragen: Wie soll die Siedlung genau aussehen? Konkreter können wir das aber erst sagen, wenn wir wissen, von wieviel Interessenten wir ausgehen sollen, und was die Investoren wollen.“ Deswegen will der Verein schnellstmöglich klären, wo genau gebaut werden soll, um interessierte Menschen besser informieren zu können. Bevorzugt wird ein Gebiet im Westen der Stadt, 2,5 Kilometer vom Zentrum entfernt. Die Hoffnung: Bis zum Sommer soll die Standortfrage geklärt sein. Kurz darauf will der Verein dann erste Entwürfe präsentieren.

Die Vereins-Planer hoffen, mindestens 100 Wohneinheiten bauen zu können, als Eigentum oder zur Miete. Und sie sehen durchaus Chancen, dieses Ziel zu erfüllen. „Es gibt seit Jahren die Tendenz, ein Häuschen im Grünen zu haben und gleichzeitig ökologisch zu leben“, sagt Vereins-Sprecher Burka: „Unsere Zielgruppe sind Leute, die im Grünen wohnen wollen und dafür gerne in Kauf nehmen, eine Stunde pro Richtung nach Hamburg zur Arbeit zu fahren.“ Auch die Statistik verheißt ein großes InteressentInnen-Potential: 28 Prozent aller bundesdeutschen Haushalte – das entspricht einer Zahl von 14 Millionen Menschen – leben schon heute ohne eigenes Vehikel.

Die Idee einer autofreien Siedlung ist nicht neu. In Hamburg ist beispielsweise gerade am Barmbeker Stichkanal ein solches Projekt im Werden. Ein als bundesweites Pilotprojekt gedachtes autofreies Wohnquartier in Bremen scheiterte jedoch vor kurzem, weil sich zu wenig BewerberInnen fanden.

Aus diesen Erfahrungen wollen die LüneburgerInnen lernen. So soll etwa versucht werden, auch die zukünftigen MieterInnen in die bauliche Gestaltung mit einzubeziehen. Auf einen „Knebelvertrag“, der den Besitz eines Autos verbietet, solle vor allem aus rechtlichen Gründen verzichtet werden, so Martin Burka. Der Vereinssprecher hofft statt dessen, die BewohnerInnen durch „soziale Kontrolle“ vom Autofahren abhalten zu können.

Im Gegensatz zum Bremer Projekt wollen sich die Lüneburger Auto-VerzichtlerInnen nicht nur ökologisch fortbewegen, sondern auch umweltgerecht wohnen: Die Häuser sollen durch einen niedrigen Energieverbrauch, wenig belastende Baumaterialien oder Solarenergie auch ökologische Kriterien erfüllen. Staatliche Förderprogramme für den Öko-Bau, eine Einkaufsgemeinschaft der BauherrInnen und schließlich Flächeneinsparungen durch den Stellplatz-Verzicht sollen – langfristig gesehen – die Unterhaltung der Alternativ-Häuser sogar günstiger machen als „normale“ Bauten.

Dieser Öko-Aspekt steht auch beim Bau eines anderen Wohngebiets im Mittelpunkt, das ab Juni im Dithmarscher Meldorf entstehen soll. Dort ist eine Öko-Siedlung mit etwa 20 Wohneinheiten geplant. Die Heizkosten werden durch Niedrigenergie-Technik gegenüber konventionellen Bauten um etwa die Hälfte gesenkt. Das Baumaterial soll langlebig, wiederverwertbar und möglichst nachwachsend sein. Der dafür bevorzugte Rohstoff ist Holz.

Autofreies Wohnen e. V. Lüneburg, Katzenstr. 2, 21335 Lüneburg, 0 41 31/40 32 54

Naturbau Meldorf GmbH, Zingelstr. 21, 25704 Meldorf, 0 48 32/51 51

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