: Die Allianz der Dunkelmänner
Heute steht Kanzleramtsminister Schmidbauer vor dem Plutonium-Ausschuß, dann wird das Gremium abgewürgt. Viel wird verdunkelt, dennoch kommen immer mehr Lügen ans Licht ■ Von Holger Kulick
Bonn (taz) – Wahrscheinlich wird es wieder so aussehen: Bonns 008, der Koordinator für die Geheimdienste aus dem Kanzleramt, Bernd Schmidbauer, wird so tun, als juckt ihn nichts. Lässig wird er Fragesteller im Bonner Plutonium-Ausschuß abbürsten und auf Antworten verweisen, die er hier vor einem Jahr schon gab.
Denn schon einmal war der Staatsminister geladen, um aufzuklären, wer Verantwortung trug, daß am 10. August 1994 genau 363 Gramm strahlendes Plutonium per gefährlicher Lufthansa von Moskau nach München geschmuggelt wurden. Damals hatten Scheinaufkäufer von BND und bayrischem Landeskriminalamt spanische Waffenhändler gedrängt und mit 276 Millionen Dollar geködert, den heißen Stoff zu liefern.
In seiner Vernehmung vor einem Jahr rettete sich Schmidbauer mit einer stundenlangen Lesung über die Zeit und vor den Fragen der Opposition, die aus Protest den Saal verließ. Jetzt ist er zur Fortsetzung geladen. Doch um zu zeigen, wie wenig er die fürchtet, lud er vorletzte Woche demonstrativ den Fragesteller der Grünen, Manfred Such, zum Small talk ins Kanzleramt ein, um tiefbewegt mitzuteilen, daß er das, was die CDU/FDP- Ausschußmehrheit gerade beschlossen hatte, inzwischen auch für ein Eigentor hält. Denn die konservative Mehrheit hat den Wunsch der Opposition ausgekontert, den Chef des Kanzleramtes, Bohl, und Kanzler Kohl noch zu laden. Statt dessen soll ein langwieriger Zwischenbericht entstehen mit der Option, ihn zum Abschlußbericht zu küren. „Krasse Mißachtung der Minderheitenrechte“ beklagt unisono die Opposition und läßt rechtliche Schritt prüfen.
Noch einem Kronzeugen bleibt damit vermutlich eine Befragung erspart. Weil es beim bayerischen LKA nur Dolmetscherinnen gab, sollte ein Spanischdolmetscher vom BND ausgeliehen werden, der sich dann aber zeitweise als „Kommandochef“ der ganzen Aktion entpuppte: Willy Weitzel alias Michael Brandon alias Andreas Liesmann, kurz „Adrian“ genannt. Der BND-Direktor „Imhorst“ hat jedoch inzwischen vor dem Ausschuß bekannt, daß der „Anbahner“ Adrian gar kein fachmännischer Dolmetscher war, er habe nur „privat“ Spanisch gelernt und „im Dienst weder eine Sprachausbildung absolviert noch eine -prüfung abgelegt“.
Durch die Lockspitzel „Rafa“, „Adrian“ und den beteiligten Polizei-V-Mann Walter Boeden gab es eine „intensive Tatsteuerung“, resümierte schon im August 1995 das Münchener Landgericht im Prozeß gegen die Täter und attestierte den Vertretern der staatlichen Stellen eine „klassische polizeiliche Tatprovokation“. Den Tätern wurden sogar 7.000 DM gezahlt, damit sie in der Lage waren, Material aus Moskau zu besorgen. Vor Gericht logen die Lockspitzel „Rafa“ und „Adrian“ nachweislich, von Moskau hätten sie nichts gewußt.
Aber Abhör- und Einsatzprotokolle bewiesen das Gegenteil. Merkwürdig: der Zeuge „Rafa“ erhielt deshalb schon im April 1996 von Münchens Amtsgericht einen Strafbefehl über 5.700 DM, der BND-Mann „Adrian“ aber erst jetzt. Sein Strafbefehl über 9.000 DM wurde erst am 17. Januar 1997 rechtskräftig, unmittelbar nachdem der Ausschuß beschloß, seine Befragungen einzustellen. „Adrian“ hatte bislang stets die Aussage verweigert, weil das Verfahren gegen ihn noch anhängig sei. Bernd Schmidbauer wird das kaltlassen, weil der Opposition auch damit nicht der Nachweis gelingen wird, daß er diesen Deal als Wahlkampfinszenierung ausgeheckt habe. Dafür läßt sich deutlich zeigen, daß die „Tatprovokateure“ vom BND hier im rechtsfreien Raum handelten.
Exemplarisch dafür ist die Vernehmung von BND-Mann „Kulp“, der als Brücke zwischen „Adrian“ und dessen BND-Chefs fungierte. Sein Rechtsempfinden sei ein „subjektives“ gewesen, gab er offen zu. Von Vorschriften über Amtshilfe, vom Kriegswaffenkontrollgesetz, das verbietet, Substanzen für Atomwaffen in das Bundesgebiet zu verbringen, wußte er nichts.
Diesmal mischte sich Schmidbauer angeblich nicht so „direkt“ wie in früheren Plutoniumfällen in die BND-Arbeit ein, sondern fuhr in den Urlaub. Allerdings nicht unerreichbar, wie er Ende 1995 Journalisten weismachen wollte, sondern „mit Handy“ im Gepäck. Merkwürdig bleibt auch, warum er mehrfach im Zusammenhang mit dem Schmuggel selbst mit der ermittlungsführenden Münchener Staatsanwaltschaft telefonierte (die sich an den Inhalt nicht mehr so genau erinnern kann).
Über Kritiker zog Schmidbauer schnell her, so über den zuständigen Fachreferenten Claus Auer im Außenministerium, der schon früh in einem Vermerk formulierte, „daß dieser Fall – auch nach eigener Darstellung des BND – von unseren Diensten nicht nur aufgedeckt, sondern weitgehend herbeigeführt wurde“. Auer blieb dabei, auch vor dem Ausschuß: „Der Satz steht und war richtig.“
Auch Polizeizeugen blieben standfest und bekräftigten, daß etwa BNDler „Adrian“ sich damals „anders entwickelt hat“ (Boeden), als eben nur Dolmetscher zu sein. Solche Erkenntnisse aber können Schmidbauer gar nicht recht sein, weil er dann öffentlich gelogen hätte. Denn als die Affäre hochkochte, versprach er sogar dem Bundestag, daß der BND hier nicht als „Agent provocateur“ auftrat. Was aber haben „Adrian“ und „Rafa“ dann in BND-Mission getan?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen