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Kronzeuge verurteilt

Polizeiskandal wird richterlich bewältigt: Beamter der Hauptbahnhof-Wache ist ebenso unschuldig wie der Kronzeuge unglaubwürdig  ■ Von Elke Spanner

Um Wahrheit von Lüge zu trennen, benötigte der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) Polizeiskandal monatelange Arbeit, reihenweise ZeugInnen und stapelweise Akten. Amtsrichter Ronald Schill braucht dafür nur wenige Stunden: Uwe Chrobok ist unglaubwürdig, entschied er gestern, nachdem er den Kronzeugen im Hamburger Polizeiskandal nur kurz vernommen hatte. Ein Urteil mit Folge: Freispruch für Hermann B., Hauptkommissar der Revierwache 11 in St. Georg.

Der war von Uwe Chrobok, einst selbst als Polizist auf jener Wache tätig, beschuldigt worden, zwischen Herbst 1991 und Sommer 1994 Schwarzafrikaner auf dem Revier mißhandelt zu haben. Der PUA hingegen hatte Chrobok für durchweg glaubwürdig erklärt.

Die Staatsanwaltschaft hatte Hermann B., ehemaliger Zugführer auf dem Revier am Hauptbahnhof, einiges vorgeworfen: Mehrfach soll er angeordnet haben, daß Schwarzafrikaner nachts aus der Innenstadt heraustransportiert und orientierungslos in den Boberger Dünen oder in den Vier- und Marschlanden ausgesetzt wurden. Zudem soll er eines Nachts sechs Schwarzafrikaner nackt in eine Einzelzelle gepfercht, mit Tränengas eingenebelt und dann eingeschlossen haben.

Diesen Vorwurf hatte die Staatsanwaltschaft nach entsprechenden Aussagen von Chrobok erhoben. Als Verwahrbuchführer der Wache will der seinerzeit Zeuge der Mißhandlungen gewesen sein. Gestern sah die Staatsanwaltschaft die Schilderung bestätigt und forderte neun Monate Haft für Hermann B.

Anders Amtsrichter Schill. Der dynamische Rechtsprecher hatte sich erst im November einen Namen gemacht, als er eine offensichtlich psychisch labile Frau zu zweieinhalb Jahren Knast verurteilte, weil sie Autos angekratzt hatte. Nun entschied er in allen Punkten wider PUA und Anklagebehörde. Der sogenannte „Verbringungsgewahrsam“, das nächtliche Aussetzen in der Walachei, sei nicht zu beanstanden. Diese Maßnahme, die Staatsanwalt Kuhn in seiner Anklageschrift als Freiheitsberaubung bewertet hatte, wird mittlerweile in Hamburg nicht mehr praktiziert. Der PUA hatte sie nur unter engsten Voraussetzungen als zulässig erachtet.

Für den Kronzeugen dürfte das gestrige Urteil positive Folgen haben: Wegen seiner amtsrichterlich festgestellten Unglaubwürdigkeit müßte er demnächst selbst freigesprochen werden. Mit seinen Vorwürfen gegen B. hatte sich Chrobok nämlich selbst der Strafvereitelung im Amt beschuldigt, weil er den Vorfall seinerzeit beobachtet und nicht sofort gemeldet hatte. Aber, nach Richter Schills Logik, hat er auch das nur erfunden ...

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