Nicht einfach in Schönheit sterben

■ Der Münchner Frauensender TM3 hat Quoten- und Finanzprobleme. Jetzt will man das Spartenimage loswerden und mit mehr Kommerz und Eigenproduktionen ein breiteres Stammpublikum anlocken

Über über den PC-Monitor von TM3-Pressesprecherin Martina Zender ruckelt ein lustiger Pausenfüller: „Return to Zender!“ – und nach eben diesem Motto scheinen die Medienredaktionen im Lande mit dem Material des Münchner Damenprogramms zu verfahren. Kaum jemand druckt Ankündigungen oder Fernsehkritiken. Aber auch das in den letzten Wochen entfachte Interesse an dem Spartenkanal macht Frau Zender nicht glücklich. Denn statt nach Inhalten fragen alle nur: Wie lange gibt es TM3 noch? Gerüchte über 60 Millionen Mark Verlust im letzten Jahr und eine baldige Einstellung kursieren in der Branche.

Die Quoten von TM3 sind so schlecht, daß sie nicht einmal allen Redakteurinnen gezeigt werden – geschweige denn der Presse. Für ein Kleinprogramm wie TM3 seien die GfK-Messungen gar nicht aussagekräftig, begründet die Pressefrau diese Geheimniskrämerei. Sie zitiert lieber ein Eduscho-Gewinnspiel aus ihrem Programm, bei dem der Rücklauf schier unglaublich gewesen sein muß.

Daß die Programmseiten den Frauenkanal aus Bosheit verheimlichen, unterstellen weder Martina Zender noch Chefredakteurin Anna Doubek oder Geschäftsführer Jochen Kröhne. Das Problem sei vielmehr, daß TM3 nicht bundesweit zu empfangen ist. Dementsprechend wenig attraktiv sei es für Programmzeitschriften, Ankündigungen der TM3-Highlights abzudrucken – und die gibt es durchaus. Dummerweise verlieren sich Eigenproduktionen wie die „Manngold“-Comedy oder das hauseigene Doubek-Magazin im Dschungel der Kanäle.

Bleibt die Frage, ob tatsächlich jemand danach sucht. „Wir haben uns vielleicht am Anfang zu sehr auf die Sparte konzentriert“, gibt Geschäftsführer Kröhne zu bedenken. TM3 sei vor allem aus medienpolitischen Gründen als Spartensender definiert worden – eigentlich aber ein Vollprogramm. „Die Zuschauer denken nun mal nicht in Sparten, sondern in Formaten. Kein Mensch sagt: ,Heute will ich was für Frauen sehen‘, sondern: ,Jetzt will ich Unterhaltung.‘“ Deswegen soll in einer Werbekampagne nun weniger das Profil eines engagierten Frauensenders gepflegt werden. Statt dessen will TM3 verstärkt Eigenproduktionen bewerben und damit ein Stammpublikum gewinnen. Ein neues Bedürfnis müsse geschaffen werden, sagt Chefredakteurin Doubek, „aber schaffen Sie mal ein Bedürfnis, wo keiner weiß, daß er eins hat“. Eine Dating-Show „wie es sie bis jetzt noch nicht gegeben hat“ ist zu diesem Zweck in Vorbereitung.

Soweit die Planung – tatsächlich drängt sich der Verdacht auf, bei TM3 vollziehe sich eine schleichende Vox-Werdung des Angebots: mehr Gameshow, weniger Anspruch. Das Morgenmagazin „Frieda“ wurde jüngst gekippt, die Talkshow „Ultima“ und Amelie Frieds Elternmagazin „Kinderella“ werden nur noch als Wiederholungen ins Kabel gespeist. Fast schon niedlich ist die Erklärung für dieses Wiederkäuen. Pressesprecherin Zender: „So wollen wir Zuschauerinnen, die uns bisher nicht empfangen konnten, eine Möglichkeit geben, diese Sendungen auch mal zu sehen.“ Erst später würden sich neue Staffeln lohnen – Kostendruck, ick hör' dir trapsen.

Aber nein, versichern Doubek und Kröhne, mit Vox habe TM3 gar nichts zu tun. Die TM3- Geldgeber, der Bauer-Verlag und der Münchner Filmhändler Herbert Kloiber, seien geduldig. Ein bißchen mehr Kommerz müsse dem breiten Publikum zuliebe nun mal betrieben werden – TM3 wolle schließlich nicht „in Schönheit sterben“, sondern leben. Gut gelaunt verläßt sich Jochen Kröhne auf alte germanische Traditionen: „In Deutschland ist noch nie ein Sender eingestellt worden.“ Daß ihn der Fall der Fälle nicht erschrecken würde, hat der ehemalige Programmchef von premiere schon 1995 dem Spiegel gesagt: „Nach 18 Monaten wird man wissen, ob das Projekt Zukunft hat. Mir kann nichts passieren. Zwei Jahre Arbeit. Der nächste Job.“

Bevor es soweit kommt, entwirft Anna Doubek schon mal Rettungsaktionen: „Eigentlich müßten wir den Frauen jetzt sagen: Schaltet uns ein, sonst gibt's uns bald nicht mehr!“ Sie selbst ist zuversichtlich, was das Überleben betrifft – „mit aller Sicherheit, die es in dieser Branche gibt“. Allzuviel ist das nicht. Stefan Kuzmany