■ Manfred Busch gibt sich mit einem grün angehauchten "Weiter so!" nicht zufrieden, Bauminister Michael Vesper hält ihm mangelnden Realitätssinn vor: Unerfüllte Erwartungen
taz: Herr Busch, Sie haben zusammen mit drei Abgeordneten Ihrer Fraktion in einem Positionspapier eine geharnischte Kritik an der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen geübt. Die Bonner Fraktionssprecherin Kerstin Müller hat Sie daraufhin aufgefordert, den nächsten Schritt zu tun und die Koalition zu verlassen. Warum wollen Sie drinbleiben?
Manfred Busch: Die Schlußfolgerung von Kerstin Müller halte ich für falsch. Wir wollen den Erfolg in dieser Koalition. Dazu gibt es im Moment gar keine Alternative. Wir müssen aber in der Koalition unser Profil schärfen und unseren Koalitionspartner dazu bringen, unsere politischen Essentials und Empfindlichkeiten zu respektieren.
Michael Vesper: Das sind schöne Worte, die leider nicht mit eurem praktischen Handeln übereinstimmen. Tatsächlich hat uns die Inszenierung eurer völlig einseitigen Bilanz geschwächt. Für uns wird es nun eher schwieriger, Inhalte in der Koalition durchzusetzen. Unser Profil zu schärfen ist immer richtig, aber ihr verwischt es doch mutwillig. Ihr bewertet Politik wie ein Buchhalter, der nur Mark und Pfennig zählt. Letztlich wollt ihr Regierungs- und Oppositionspartei zugleich sein, und das funktioniert nicht. Was macht es denn für einen politischen Sinn, unsere Erfolge öffentlich kleinzureden?
Busch: Unseren Erfolgen stehen schwere Niederlagen gegenüber, die an die Substanz grüner Glaubwürdigkeit rühren: Dazu zählen die Förderung gentechnischer Projekte aus dem Wirtschaftshaushalt, die Atomreaktorenforschung in Jülich, die Mittelkürzung beim ÖPNV bei gleichzeitiger Anhebung der Straßenbaumittel usw. Tatsache ist doch, daß sich im letzten Jahr die Durchsetzungsmöglichkeiten für grüne Reformprojekte wegen der Blockade der SPD immer mehr verschlechtert haben. Ohne Kurskorrektur müßten wir im Bundestagswahlkampf 1998 mit fast leeren Händen vor unsere WählerInnen treten.
Vesper: Von „fast leeren Händen“ zu sprechen ist absurd. Seid doch etwas selbstbewußter: NRW ist weder Gen- noch Atomland, und vieles wird nicht so heiß gegessen, wie die SPD es kocht. Ihr vergeßt, daß wir neue Reformansätze in der Innen-, Rechts-, und Flüchtlingspolitik, eine veränderte Abfallpolitik, ein fortschrittliches Landespflegegesetz und vieles mehr durchsetzen konnten. Am Brandschutzerlaß – Stichwort PVC –, am Windkrafterlaß haben wir trotz scharfer Proteste aus der SPD festgehalten. Ihr greift weniger eine vorhandene Unzufriedenheit mit unserer Politik an der Parteibasis auf, als diese Unzufriedenheit ganz bewußt zu schüren. Anders als von euch behauptet, haben wir zum Beispiel die Förderung regenerativer Energien und des Energiesparens nachhaltig verbessert...
...In der Summe, so sagt Busch, wird dafür heute nicht mehr Geld lockergemacht als zu Zeiten der SPD-Alleinregierung im Jahr 1985...
Vesper: ...Genau das ist eben falsch. Wer sich die Zahlen ansieht, muß anerkennen, daß wir seit 1995 gerade hier deutlich neue Akzente gesetzt haben. Wir geben – trotz knapper Kassen – 1997 erheblich mehr für diesen Zweck aus als 1985, auch unter Berücksichtigung der damaligen Bund-Länder-Programme.
Busch: Natürlich gibt es Erfolge, aber du verschweigst systematisch alle Mißerfolge. Wir kritisieren nicht das REN-Programm, sondern die Tatsache, daß es nur ein grüner Tupfer im grauen Einerlei ist. Für eine entscheidende neue Weichenstellung kommt dem Energiesparen und der rationellen Energienutzung, insbesondere der Förderung von Blockheizkraftwerken und dem massiven Ausbau der Fernwärme, eine größere Bedeutung zu. Doch auf diesem Feld gibt es kaum neue Impulse. Unsere konkreten Konzepte und Instrumente werden von der SPD und Wirtschaftsminister Clement blockiert. Grundsätzlich – und das zeigt ja auch das Festhalten der SPD an GarzweilerII – hat sich in der Energiepolitik nichts geändert.
Vesper: Trotz des Streits um GarzweilerII konnten wir energiepolitisch einiges auf die Schiene bringen. Wenn wir jährlich über 200 Millionen Mark für die energetische Sanierung von Altbauten aufbringen und den Niedrigenergiehaus-Standard obligatorisch machen, dann sind das keine Peanuts. Wir sind gerade mal eineinhalb Jahre in der Regierung. Natürlich haben wir vieles noch nicht erreicht, aber du malst insgesamt ein völlig falsches Bild. Wenn es einem um die argumentative Vorbereitung des Ausstiegs geht, dann schreibt man solche Bilanzpapiere wie ihr. Wer die Koalition will, der konzentriert sich auf Aufgaben, die vor uns liegen.
Busch: Gerade wenn wir die ökologischen und sozialen Herausforderungen ernst nehmen, können wir uns mit einem grün angehauchten „Weiter so!“ nicht zufriedengeben. Der Vorwurf, wir schürten erst die Unzufriedenheit, geht an der Realität völlig vorbei. Wir malen zum Beispiel ein realistisches Bild, wenn wir feststellen, daß die Landesregierung zur Zeit alle Vorbereitungen dafür trifft, daß sich der Flugverkehr in NRW in den nächsten zehn Jahren verdoppeln kann. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Klima- und UmweltschützerInnen.
Vesper: Glaubst du wirklich, daß wir in NRW den weltweiten Trend zu mehr Flugverkehr nachhaltig stoppen können?
Busch: In NRW wird nicht versucht, den Luftverkehr einzudämmen, sondern Clement arbeitet aktiv daran, ihn auszuweiten. Er betreibt eine klassische Wachstumspolitik, die allen Klimaschutzzielen zuwiderläuft.
Wo sind die landespolitischen Instrumente auf diesem Feld?
Busch: Das Land ist Miteigentümerin der beiden größten Flughafen NRWs. Der Klimaschutz verlangt, daß wir auf den weiteren Ausbau dieser Flughäfen verzichten. Unser Verkehrsminister Clement will dagegen den drastischen Kapazitätsausbau. Um den über private Investoren finanzieren zu können, will er die Landesanteile am Düsseldorfer Flughafen verkaufen. So einer Privatiserung muß der Landtag zustimmen...
Vesper: ...Stimmt leider nicht
Busch: ...Paragraph65 VII der Landeshaushaltsordnung schreibt das vor. Wir können das verhindern, denn die SPD ist auf unsere Stimmen in Landtag und Kabinett angewiesen. Wir müssen uns nur mal trauen, nein zu sagen.
Vesper: Noch vor wenigen Wochen bist du vehement für eine Veräußerung der Landesanteile an den Flughäfen eingetreten. Über das Thema jetzt öffentlich zu räsonieren, halte ich im übrigen für falsch. Mit deinen Ankündigungen weckst du schon wieder Erwartungen, die auf landespolitischer Ebene nicht zu erfüllen sind. Eindämmen kann man den rasant ansteigenden Flugverkehr doch nur über eine spürbare Verteuerung – etwa über Besteuerung des Flugbenzins. Das geht aber nur auf nationaler – wenn nicht gar europäischer – Ebene.
Busch: Eine Trennung von Eigentümerfunktion und Aufsichtsbehörde ist grundsätzlich richtig; im Fall Düsseldorf bedeutet die Privatisierung aber eine Flughafenerweiterung, die wir ablehnen.
Herr Busch, wenn Sie den für interkontinentale Flüge notwendigen Startbahnausbau in Düsseldorf verhindern, verringern Sie nicht die Nachfrage, sondern Sie sorgen höchstens dafür, daß sich die Fluggäste von Düsseldorf abwenden und von woanders aus starten.
Busch: Wir brauchen in Düsseldorf keine Startbahn für Interkontinentalflüge. Die können über den Flughafen Köln-Bonn abgewickelt werden, wo eine entsprechende Startbahn existiert. Der Düsseldorfer Flughafen ist von Wohnbebauung eingeschlossen, also ein Stadtflughafen, für den natürlich besonders restriktive Bedingungen zu gelten haben. Im übrigen sind nicht die interkontinentalen Flüge unser Ansatzpunkt, sondern die Kurzstreckenflüge bis zu 600 Kilometern. Die Mobilitätsbedürfnisse für diese Nachfrage müssen durch andere Verkehrsmittel, z.B. die Bahn, befriedigt werden. Natürlich können wir in NRW nicht die globalen Verhältnisse grundsätzlich verändern, aber wir sollten in einer von uns mitgetragenen Regierung wenigstens nicht aktiv falsche Entwicklungen fördern.
Vesper: Du argumentierst an der Realität vorbei. Die These, wonach für das wahnsinnige Wachstum im Luftverkehr die Kurzstreckenflüge verantwortlich sind, ist nachweislich falsch. Wer die klimapolitisch gebotene Eindämmung des Flugverkehrs will, der muß dafür sorgen, daß es 1998 eine rot- grüne Regierung in Bonn gibt und die Subventionierung der Fliegerei aufhört. Ohne Regierungswechsel kommen wir einer Lösung dieses Problems durch noch so viele Nadelstiche nicht näher...
Busch: ...Du lenkst von der landespolitischen Verantwortung ab. Im Ziel, Kohl abzulösen, sind wir uns einig...
Vesper: ...Nur tragt ihr leider dazu bei, daß die Chancen dafür nicht größer werden.
Busch: Auch wir wollen die Bonner Koalition durch eine rot- grüne Reformalternative ablösen, aber eine Koalition in Düsseldorf, die uns unserer Glaubwürdigkeit beraubt, ist schädlich für unsere Wahlaussichten im nächsten Jahr.
Vesper: Ihr helft doch im Verein mit den Hardlinern in der SPD mit, daß die Koalition bisher nicht im gewünschten Maße positiv ausstrahlt. Dabei halte ich eure Spekulation, das Scheitern der Düsseldorfer Koalition könne unter Umständen für eine Ablösungsperspektive in Bonn positiver sein als die Fortsetzung unserer bisherigen Poltik, für geradezu aberwitzig.
Wie soll und kann es bei den NRW-Grünen weitergehen?
Busch: Wir wollen die offene und ehrliche Diskussion. Das große Interesse der Parteibasis an unserem Positionspapier macht deutlich, daß die jetzt angestoßene Bilanzierung unserer bisherigen Arbeit längst überfällig war. Uns geht es eben nicht nur um Ministerposten...
Vesper: ...Das ist nun wirklich allzu billig...
Busch: ...sondern uns geht es um materielle Reformperspektiven.
Vesper: Wir sind seit unserem Parteitag in Hamm vor einem Jahr ständig am Bilanzieren. Nur durch konzentrierte Sacharbeit können wir unsere Position verbessern. Freude bereitet der jetzt losgetretene Streit nur den Koalitionsgegnern in der SPD und den Wahlkampfstrategen der abgewirtschafteten Bonner Koalition.
Busch: Die Zeiten, in denen man solche Diskussionen hinter verschlossenen Türen führen konnte, sind vorbei. Die Basis muß in diese Debatte einbezogen werden, um ein tragfähiges Fundament für zukünftige Wahlkämpfe zu schaffen. Ich glaube, die Grünen gehen daraus gestärkt hervor.
Sie hätten mit ihrer Bilanz das die Grünen verbindende Tischtuch zerschnitten, hat ein Fraktionskollege Ihnen vorgeworfen. Das klingt nicht gerade nach einer gemeinsamen grünen Zukunft.
Busch: Das waren spontane Aufgeregtheiten. Die hake ich ebenso ab wie das Gerede von gelben oder rot-gelben Karten. Wir wollen gemeinsam Erfolg haben, denn dafür hat man uns schließlich gewählt. Wir streiten zwar über den Weg zur Umsetzung unserer Ziele, aber das berührt nicht unser gemeinsames grünes Fundament.
Vesper: Die Worte hör' ich wohl.
Interview: Walter Jakobs
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