Gericht bestraft sexuelle Belästigung im Knast

■ In Bremen wurde ein 47jähriger Vollzugsbeamter wegen Sexualdelikten zu einer elfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Richter glauben den inhaftierten Frauen

Bremen (taz) – Ein 47jähriger Bremer Vollzugsbeamter wurde gestern wegen sexuellen Mißbrauchs im Amt und wegen der Weitergabe von Drogen im Knast verurteilt. Im Strafmaß folgte das Gericht dabei dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die elf Monate auf Bewährung gefordert hatte. Dabei wiesen die Richter die Aussagen des Angeklagten als „nicht glaubwürdig“ zurück.

Der Mann hatte alle Vorwürfe von sexuellen Übergriffen auf weibliche Häftlinge noch kurz vor der Urteilsfindung als „erstunken und erlogen“ bezeichnet. Statt dessen stellte er sich als „ehrbaren Familienvater“ und engagierten Vollzugsbeamten dar, der durch die Zeuginnen, von denen eine noch in Haft ist, zum „Opfer eines Komplotts“ gemacht werden sollte. Dem schenkte das Gericht ebensowenig Glauben wie dem Hinweis des Verteidigers, daß die wegen Drogendelikten verurteilten Frauen „keine hilflosen Mäuschen“ seien. Vielmehr sei der Angeklagte, der sich 1992 um den Frauenvollzug beworben hatte, mehrfach von Kolleginnen auf seine Distanzlosigkeit gegenüber weiblichen Inhaftierten angesprochen worden, so das Gericht. Er habe in sechs nachgewiesenen Fällen aus seiner Dienstposition „sexuelle Vorteile“ gezogen.

Über die Vorwürfe hatten die beiden Zeuginnen und Nebenklägerinnen detailliert Auskunft gegeben – und vor Gericht ihre Glaubwürdigkeit bewiesen, weil sie „keinen Belastungseifer an den Tag gelegt“ hätten, so der Richter in der Urteilsbegründung. Beiden Frauen hatte sich der Angeklagte im Jahr 1992 angenähert; mit einer der Zeuginnen war es bei begleiteten Ausgängen, die der Angeklagte als Betreuer regelmäßig beantragt hatte, auch mehrfach zum Geschlechtsverkehr gekommen. „Ich hatte dabei immer Angst“, hatte die Betroffene vor Gericht geäußert. Aber sie habe sich auch nie gewehrt. Zugunsten der stundenweisen „Freiheit“ des Ausgangs habe sie sich auch nicht dazu entschließen können, auf die begleiteten Ausgänge zu verzichten, um den Übergriffen des Beamten zu entgehen.

Erst als weitere Frauen, deren Aussagen im Hauptverfahren nicht berücksichtigt wurden, den Mann wegen sexueller Übergriffe belasteten, hatte sie sich betrogen gefühlt, weil sie „nicht die einzige“ war. Daraufhin hatte sie die Übergriffe angezeigt – wie auch die zweite Zeugin und weitere Frauen, die im Hauptverfahren nicht mehr angehört werden mußten. Gegen den Angeklagten, der seit 21 Jahren im Vollzugsdienst ist, steht noch ein Diszplinarverfahren aus. Bei der Bewährungsstrafe von elf Monaten waren die Richter bewußt unter einem einjährigen Limit geblieben. In diesem Fall hätte der Mann, der jetzt im Männervollzug arbeitet, entlassen werden müssen. Eva Rhode