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Nicht immer sind die Serben die Bösen

Das Bonner Verteidigungsministerium schätzt die Verpflichtung der bosnischen Serben zum Friedensprozeß im Lande deutlich anders ein als die SFOR-Kommandeure vor Ort  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Wenn es um die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen geht, um das politische Funktionieren von Staatspräsidium und Regierung in Bosnien-Herzegowina, dann werden Mängel und Vertragsverletzungen gewöhnlich zuallererst den bosnischen Serben vorgeworfen. Und das gewiß nicht ohne Grund. Erst vorgestern wurden drei Häuser von Muslimen in der Ortschaft Gajevi, die auf dem Gebiet der Republika Srpska liegt, bei einer Explosion zerstört.

Doch wenn es um Waffenverstecke und die Kontrolle von unangemeldeten Waffen geht, ergibt sich ein überraschend anderes Bild. Noch Ende Januar hieß es im Bonner Verteidigungsministerium, die kroatisch-muslimische Föderation habe die Verpflichtungen im Rahmen der Rüstungskontrolle „fast erfüllt“. Kritisch sei die Lage dagegen derzeit in der serbischen Teilrepublik, weil die dortigen Militärbehörden Waffensysteme nicht anmeldeten oder Ausnahmeregelungen mißbrauchten.

Diese Lageeinschätzung wird von SFOR-Kommandeuren nicht geteilt. Nach deren Ansicht geht die Republika Srpska mit den Forderungen von UNO und Nato „konform“. Einen Krieg strebe die Führung nicht an, wenngleich sie das Ziel eines autonomen Staates weiter verfolge und die eroberten Territorien behalten wolle.

Zwischen dem 11. und 29. Januar haben SFOR-Friedenstruppen 463 Handgranaten bei Bosniaken, 99 bei Kroaten und nur 10 bei Serben konfisziert. Beschlagnahmt wurden außerdem 28 Granatwerfer bei den Bosniaken, einer bei den Kroaten, keiner bei den Serben. Minen wurden bei den Bosniaken 108 gefunden, 109 bei den Kroaten, 66 bei den Serben. Nur bei Gewehren ergibt sich ein anderes Bild: Da fanden sich lediglich 7 bei den Bosniaken gegenüber 66 bei den Serben und 109 bei den Kroaten. Die Serben wurden mit 39 Inspektionen am häufigsten überprüft. Bei den Bosniaken gab es im selben Zeitraum 21 Inspektionen, bei den Kroaten 22.

Auch beim nach wie vor ungelösten Problem der Rückkehr der Flüchtlinge steht das, was die Hardthöhe Journalisten erzählt, nicht ganz im Einklang mit der SFOR. Zwar herrscht dahingehend Übereinstimmung, daß die bosnischen Serben die Rückkehr von muslimischen oder kroatischen Flüchtlingen in die Gebiete der Republika Srpska „mit allen Mitteln“ verhindern, wie die Hardthöhe kürzlich mitteilen ließ. Doch die interne Lagebeurteilung der SFOR wirft den Bosniaken andererseits eine „Instrumentalisierung der Flüchtlinge“ vor. Gemeint ist damit, daß sie in Gebiete geschickt werden, wo Konflikte mit den Serben drohen. Vom Dayton-Abkommen sind solche Versuche in vollem Umfang gedeckt. Allerdings halten das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und Menschenrechtsorganisationen auch Muslimen und Kroaten vor, die Rückkehr von Muslimen in kroatisch dominierte Gebiete ebenso zu verweigern wie die Rückkehr von Kroaten in muslimisch kontrollierte Gebiete.

1996 wollte das UNHCR 500.000 Binnenvertriebene und 370.000 Flüchtlinge aus dem Ausland zurückbringen. Aber es kehrten nur insgesamt 250.000 zurück, fast alle ohne Hilfe des UNHCR. Im selben Zeitraum wurden 100.000 weitere Flüchtlinge registriert. Mehr als 32.000 Rückkehrer verließen ihre Heimat wieder.

Bei der SFOR wird derzeit an einem Text gefeilt, in dem „der anzustrebende Endzustand“ definiert wird. Der Entwurf nennt als eine Bedingung: „Zivile Strukturen sind so etabliert, daß sie die Einhaltung der Verpflichtungen des Friedensvertrages gewährleisten.“ Bislang gibt es wenig Anzeichen dafür, daß dieses Fernziel innerhalb der 18 Monate des SFOR- Mandats zu erreichen sein wird. „Was das Ganze zusammenhält, ist im wesentlichen die internationale Präsenz“, meint Michael Steiner, stellvertretender Wiederaufbaubeauftragter. Diese ist seiner Meinung nach auch nach Ablauf der 18 Monate nötig. Ob sie militärisch sein müsse, „das wird man sehen“.

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