: "Schwarz-Grün könnte ein Zukunftsprojekt sein"
■ Der bündnisgrüne Haushaltsexperte Oswald Metzger glaubt, daß mit der CDU die Ökologisierung der Wirtschaft eher durchzusetzen wäre als mit der SPD. Alle Einkunftsarten, auch Nacht- und Sonnta
taz: Die Grünen sind bei der Diskussion um Steuerreformpläne weitgehend aus der Schußlinie. Die CDU wird für die soziale Ungerechtigkeit ihres Konzepts kritisiert und die SPD wegen ihrer Konzeptionslosigkeit. Womit können Sie sich denn unbeliebt machen?
Oswald Metzger: An erster Stelle müssen wir immer berücksichtigen, daß wir bisher über unsere Verhältnisse gelebt haben. Deswegen müssen die Sozialsysteme konsolidiert werden. Erst wenn das geregelt ist, können wir darüber reden, ob die Beitragszahler zusätzlich durch Mehrwertsteuern belastet werden. Zur Zeit ist die Mehrwertsteuer-Diskussion schädlich, weil dadurch der Druck auf die Sozialsysteme und die Abschreibungsverhältnisse im Steuerrecht wegfällt. Generell gilt: Nichts bleibt, wie es war.
Zum Gradmesser für die soziale Korrektheit der Steuerreform scheint die Frage der Besteuerung von Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit geworden zu sein. Ihre Partei eiert in dieser Frage herum. Parteisprecher Jürgen Trittin kann sich die Besteuerung zwar einerseits vorstellen, will aber andererseits durch eine zu klare Aussage nicht die Wähler verschrecken...
Mein erklärtes Ziel ist die Besteuerung aller Einkunftsarten, wozu auch die Schicht- und Nachtarbeitszuschläge gehören. Ein einfacheres, transparenteres und damit gerechteres Steuersystem ist nur dann möglich, wenn die Steuerbegünstigungen auf breiter Ebene systematisch wegfallen. Sonst geraten wir ständig in den Erklärungsnotstand, warum die Vergünstigungen zwar bei den einen, nicht aber bei den anderen wegfallen. Es ist ein Trugschluß, daß es Gerechtigkeit nur dann gibt, wenn man wenigen weh tut. Es wird ein Heulen und Zähneklappern durch alle gesellschaftlichen Gruppen geben müssen.
Wäre es angesichts steigender Aktienkurse und Rekord- Unternehmensgewinnen nicht ein richtiges Signal, den Spitzensteuersatz bei 53 Prozent zu belassen, wie es SPD-Chef Oskar Lafontaine fordert?
Viele begreifen einfach den Unterschied zwischen zu versteuerndem Einkommen und dem Bruttoeinkommen nicht. Das zu versteuernde Einkommen ist wegen der vielen Abschreibungsmöglichkeiten erheblich niedriger als das an sich zu versteuernde Bruttoeinkommen. Den Spitzensteuersatz zahlt also ohnehin kaum jemand. Um ausländische Investoren anzulocken, ist es daher am besten, den Spitzensteuersatz zu senken, von mir aus auf 40 Prozent, dafür aber die Steuerschlupflöcher zu beseitigen. Um so besser kommt auch der Grundsatz der Steuerprogression zum Tragen.
Sind denn Konfliktpunkte wie die Besteuerung des Nachtarbeitszuschlags in Ihrer Partei mehrheitsfähig?
Ich glaube, damit haben sich viele von uns noch nicht konkret befaßt. Bei unseren Wählern sind Schicht- und Nachtarbeiter eher unterrepräsentiert. Im übrigen handelt es sich unter Berücksichtigung unseres Gesamtkonzepts keinesfalls um eine soziale Ungerechtigkeit. Allein die von uns geplanten großzügigen Steuerfreistellungen für Rentenversicherungsbeiträge würden einen großen Teil der Einbußen durch die Besteuerung der Nachtarbeit ausgleichen.
Wären Ihre Vorstellungen bei den Wählern der Bündnisgrünen leichter durchzusetzen als in Ihrer Partei?
Ohne Frage. Nach Feierabend denken die Leute durchaus links, linksliberal, grün-alternativ. Sie verdienen aber in der Regel gut, wenn auch nicht sehr gut, haben Haus und Grundstück, sind akademisch vorgebildet, häufig als Beamte gut abgesichert und wollen von ihrer Partei eine fundierte Wirtschaftspolitik. Natürlich müssen wir auch den moralischen Impetus bedienen. Unsere Wähler wollen eine Gerechtigkeitsbotschaft, Solidarität mit Minderheiten, aber bitte schön so, daß sie weiterhin gut verdienen.
Aber in Ihrer Partei wimmelt es doch von Leuten, die Sie gerade beschrieben haben. Warum stoßen Sie bei denen auf Widerstand?
Das sind manchmal alte Reflexe. Mit harten Themen wie Wirtschaft und Finanzen haben sich viele nur wenig beschäftigt. Man müßte mal eine Art Volksbildung in der Partei machen, um die Zusammenhänge deutlich zu machen. Wir müssen aus unserer Anfangsidentität raus: der Partei der Frustrierten, Exoten, Gewerkschafter, Ökos. Was wir brauchen, sind Konzepte in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Der Marktwert einer Partei wächst schließlich nicht dadurch, daß man sich bei potentiellen Koalitionspartnern ständig wie sauer Bier anbietet, sondern daß sich die Partei konzeptionell auf der Höhe der Zeit befindet.
Welche Rolle in der Parteienlandschaft streben Sie damit an?
Wenn sich die Grünen zur Konzeptpartei weiterentwickeln, also gerade auch in den harten Politikfeldern diesen Prozeß weiter befördern, dann haben wir eine gute Chance, uns als dritte Kraft in der Gesellschaft zu etablieren, deutlich vor der FDP. Dafür ist auch die Aussage erforderlich, daß wir prinzipiell mit allen gesellschaftlichen Gruppierungen koalitionsfähig sind, die im Parlament nachhaltig bestehen. Dabei denke ich weniger an die PDS als an die große Volkspartei CDU. Schwarz-Grün könnte das große Zukunftsprojekt für das nächste Jahrtausend sein.
Was glauben Sie, was Sie mit der Union besser durchsetzen können als mit der SPD?
In einer schwarz-grünen Koalition könnten wir die Ökologisierung der Wirtschaft stärker forcieren. Die Ökosteuer wäre leichter einzuführen als in einer rot-grünen Koalition, weil dann die Angst der Wirtschaft weniger groß wäre, daß es einen Crashkurs gibt. In einer rot-grünen Koalition würden die Grünen im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung eher bremsend auf die Experimente der Sozialdemokraten wirken, also in Richtung von mehr wirtschaftlicher Vernunft.
Was ist das Manko der Sozialdemokraten?
Eine abgewirtschaftete Koalition löst man ab, indem man beide Parteien in die Opposition schickt und sich nicht das Hintertürchen offenhält, daß man vielleicht auch eine Große Koalition bildet, wie es die SPD tut.
Und inhaltlich?
Die Sozialdemokraten haben zu wenige Grundbotschaften. Es fehlt die Orientierung. Sie müßten klar sagen: Wenn wir Gerechtigkeit wollen, müssen wir alle Steuern deutlich senken, also auch die der Spitzenverdiener. Die Sozialdemokraten befinden sich in einer Denkfalle. Sie glauben: Wenn es gerecht sein soll, muß der Spitzensteuersatz hoch sein. Dabei vergessen sie aber, daß gerade die Spitzenverdiener von dem jetzigen Steuerrecht profitieren. Wie es um die SPD bestellt ist, zeigt sich allein daran, daß sich die Koalition trotz ihrer gewaltigen Schwächen immer wieder stabilisiert.
Befürchten Sie, daß die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl 1998 so schwach abschneiden werden, daß eine Große Koalition unvermeidlich ist?
Eine Große Koalition würde mich nicht stören. Machtpolitisch würde das meine Ziele nur befördern. Die Freien Demokraten wären raus, und die Leute würden schnell merken, daß sich zwei profilierungssüchtige Tanker relativ unbeweglich gegenüberstehen. Dann wären wir dran.
Wieviel Prozent der Wählerstimmen trauen Sie ihrer Partei langfristig zu?
Zehn bis fünfzehn Prozent sind für uns das Ende der Fahnenstange. Bei allem, was höher liegt, müßten wir unser politisches Verständnis ändern. Dann wären wir eine Volkspartei. Ich glaube aber, die Zeit der Elefanten geht ohnehin zu Ende. Zum einen, weil sich auch in den kleinen Parteien wählbares Führungspersonal herauskristallisiert. Zum anderen, weil sich die Milieus zunehmend auflösen. Alles wird weniger ideologisch gesehen. Auch bei den Journalisten. Richtige Ausgrenzung findet sich fast nirgends mehr. Interview: Markus Franz
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