: Hackt die Frau etwa auch?
■ Informatikerinnen werben Mädchen und Wiedereinsteigerinnen / Eigener Frauenforschungslehrstuhl war schon genehmigt und hängt jetzt wieder in der Behörde
Worüber sprechen Frauen beim Thema „Frauen und Informatik“? Lamentieren sie, weil die Männer sie nicht ranlassen? Oder will Sie eh' nicht hacken? Mit geschlechtsbedingter E-mail-Phobie wäre jedoch auch die Frau mit dem Liebsten in jwd ganz schön aufgeschmissen. Ach ja, gähnen alle. Und dann kommen jetzt auch noch die Informatikerinnen der Bremer Uni und werben unbescholtene Mädchen mit der Broschüre Das Informatikstudium ist anders!. Zur Entstehungsgeschichte des Heftchens benutzen sie außerdem das Unwort „Pilotprojekt“.
Bei soviel negativ anmutender Vorhut muß gleich nachgeschoben werden: Das Heft ist gut. Warum es nötig war – Unter zehn Prozent weibliche Präsenz im Fachbereich, rückläufige Tendenz also zum 20-Prozent-Boom in den Achtzigern, Vorurteile über Vorurteile bei potentiell studierwilligen Mädchen und Frauen. Das wollte auch das Bundesforschungsministerium so sehen und sicherte für ein Jahr gezielter Öffentlichkeitsarbeit aus und in Bremen zwei Drittel vom 180.000 Mark-Etat zu. Ein Drittel übernahm Bremen.
Dipl.-Inform. Veronika Oechterding hat zusammen mit zwei Kolleginnen und „studentischen Hilfskräften“ also Frauen gesucht, die das Thema frauenspezifisch zurechtrücken. Indem sie zunächst auch Informatikerinnen sind. Die Projektfrauen suchten sich die Berufsgenossinnen über ihr Frauennetz im Internet http://www.systers.org und publizierten ihre Lebensläufe. Claudia Herzog, Studentin an der Universität Rostock, schreibt: „Wie ich überhaupt auf die Idee gekommen bin, Informatik zu studieren, ist mir heute manchmal noch nicht ganz klar.“ Ute Bormann, Informatikprofessorin in Bremen, kommt in ihrer Kurzbiografie zu dem Schluß: „Die Kommunikation zwischen Rechnern und insbesondere zwischen Menschen mit Hilfe von Rechnern ist ein ziemlich komplexes Problem (...). Mein Engagement in diesem Gebiet hat mich in nationale und internationale Gremien getrieben.“
So nämlich ist Informatik wirklich, unterstreichen die Bremer Pilotfrauen desweiteren in ihrer Broschüre. Gefragt seien Kommunikationsfähigkeit, soziale Kompetenz, natürlich auch formales und logisches Denken und die gedankliche Sprungkraft zur Abstraktion. „Bis heute werden zum Studium keine Computerkenntnisse vorausgesetzt“, sagt Mitarbeiterin Ulrike Erb. „Das ist sinnvoll. Unser Berufsbild hat vor allem etwas mit Projektmanagement zu tun.“ Zum Beispiel EDV-Arbeitsplätze planen, von der Vernetzung bis zur richtigen Situierung im Raum.
Mädchen und Frauen erfahren dies alles nicht, weil diejenigen, die es ihnen sagen sollen (LehrerInnen, Eltern, BerufsberaterInnen), es meist auch nicht wissen – sagen die Bremerinnen. Zum Heft gibt es also auch zwei Infoveranstaltungen, zu welchen sich das Bremer Arbeitsamt, die Hochschule Bremen und die Studienberatung der Uni Bremen eingeklinkt haben. Zumindest haben sie ihr Logo und ihren Namen dazugestellt – das Arbeitsamt hätte außerdem Frauen, die einen beruflichen Wiedereinstieg planen, persönlich ansprechen können. Das ist nicht geschehen.
Daß die Bremer Informatikerinnen nun gerne mehr Frauen in ihrem Fachbereich haben möchten, unterstellt man vielleicht noch als Selbstverständlichkeit. Fachbereichssprecher und Projektleiter Professor Hans-Jörg Kreowski spricht jedoch leicht kokett ähnliche Worte. „Es fehlt uns einfach die Kreativität der Frauen, ihre spezielle Lebenserfahrung.“ Kreowski macht sich mit seinen Frauen seit acht Jahren für eine Frauenforschungsprofessur im Fachbereich stark. Die war '96 endlich genehmigt, dummerweise sprang dann die Berufene kurzfristig ab. Jetzt ruht der Vorgang seit November bei der Bildungsbehörde. „Wird neu geprüft“, sagt Referatsleiterin Jutta Sywottek. Daß die Professur dem Bremer Bildungs-Rotstift zum Opfer fällt, kann sie nicht ausschließen.
Der Lehrstuhl für Frauenforschung in der Informatik wäre der einzige seiner Art weltweit gewesen. „Nirgends ist ja auch das Thema so krass wie in Deutschland.“ Fachbereichssprecher Kreowski will dranbleiben. Er hat keine Lust, die Informatik zur Männerwissenschaft verkommen zu sehen. Die Frauen bescheinigen ihm in seinen Forschungsgruppen ein „frauenfreundliches Klima“. Am Schwarzen Brett sind die Plakate für Kongresse und Adressen for women only in der Tat überrepräsentiert. Aus dem Fahrstuhl tritt indes ein „typischer Informatiker“: langes, gelocktes Haar und schwarzlackierte Fingernägel. sip
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