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Bierselige Versprechungen

Bavaria: Voscherau und Rittershaus wollen für „diese treue Belegschaft“ kämpfen. Auf der Montags-Demo waren sie aber nicht  ■ Von Heike Haarhoff

Der neue „Betriebsrat“ der Bavaria-St.-Pauli-Brauerei, Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos), hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit gestern Erfolge zu vermelden: Es werde doch noch Verhandlungen geben über den Erhalt der Kiezbrauerei. Den Schließungsplänen des Dortmunder Konzerns Brau und Brunnen (BuB) zum Trotz und dank seiner sowie der Intervention von Bürgermeister Henning Voscherau (SPD).

„Am Freitag um 17 Uhr in Hamburg“, posaunte Rittershaus auf der gestrigen Versammlung „dieser treuen Bavaria-Belegschaft“ ins Mikrofon, würde sich Henning Voscherau mit den BuB-Vorständen Dieter Wulf und Werner Freund zum Gespräch treffen. Nach Voscheraus Plänen soll Dortmund die Bavaria-Braustätte aus dem Konzern frei- und zu einem symbolischen Preis an ein „nationales oder internationales Firmenkonsortium“ abgeben, das dann die 500 bedrohten Arbeitsplätze sowie den Standort St. Pauli erhält. Bavaria-Vorstand Rudolf Toboll zufolge gibt es bereits einen „ernstzunehmenden Interessenten“. Ähnlich war 1993 das Dasa-Flugzeugwerk in Lemwerder gerettet worden (s. Kasten). An den Bavaria-Verhandlungen sollen auch Wirtschaftsfachleute, Betriebsräte und Gewerkschaften teilhaben.

Wie der künftige Bier-Eigentümer heißen könne, wollte Rittershaus nicht verraten. Nur soviel: „Ich habe meine Fühler ausgestreckt.“ „Bier braucht eine Heimat“ rief er leidenschaftlich, und daß die Schließungspläne ein „Schildbürgerstreich“ seien, „den die Hamburger Politik nicht tolerieren kann“. Jubel, Pfiffe, Getrampel. Rittershaus begeisterte die 400 Anwesenden fast mehr als die Altbetriebsräte Werner Henne und Uwe Westphal und der NGG-Gewerkschafter Lutz Tillack mit ihren Kampfesreden.

Weniger freundlich wurde der eigens aus dem Westfälischen angereiste BuB-Arbeitsdirektor Werner Freund empfangen. Sollten die Verhandlungen scheitern, werde der Betrieb binnen neun Monaten abgewickelt, erklärte er. „Es wird einen Sozialplan geben.“ Arbeitslos würden 128 MitarbeiterInnen aus der Produktion, 55 aus der Abfüllung, 14 aus der Logistik und 36 aus Verwaltung und Betrieb. Er, Freund, werde sich aber für eine „konzernweite Jobbörse“ sowie die „Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft zusammen mit der Wirtschaftsbehörde“ einsetzen.

Mittelfristig, so Freund, werde der Getränkemulti sein Sortiment von 100 auf 25 Biermarken reduzieren. Lediglich die Spitzenmarke Jever stehe nicht zum Verkauf.

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