: Glutarm
■ Helma Sanders-Brahms' Film über Benn und Lasker-Schüler (Wettbewerb)
Eigentlich wollte Helma Sanders-Brahms „einen ganz anderen Film machen“ als die in dürren Studiodekorationen erzählte Liebesgeschichte zwischen Else Lasker- Schüler und Gottfried Benn. Doch leider bekam sie nur „rasend wenig Geld“, sagte sie gestern auf der Pressekonferenz zu „Mein Herz – niemandem!“ Den Film hat sie trotzdem gemacht, in elf Studiotagen, ein armer Film, wie sie sagt.
Sie erzählt von Elses Jugend im jüdischen Elternhaus in Elberfeld und Gottfrieds protestantischer im brandenburgischen Sellin. Erzählt, wie die Dichterin in Berliner Künstlerkreise gerät, Herwarth Walden kennenlernt, Franz Marc, die Künstler um den „Sturm“. Ein paar Tische stehen für das „Romanische Café“, ein paar Eingeweide symbolisieren die Vorlesungen an der Militärakademie, wo Benn als Arzt ausgebildet wird.
Dahinter wackeln schon die Kulissen. Sanders-Brahms verläßt sich ganz auf die Dialoge, fast vollständig aus Quellenmaterial übernommen. Und natürlich auf die Gedichte Lasker-Schülers und Benns, die denn auch in voller Länge rezitiert werden. Viele Verse lang blicken wir in die Gesichter von Lena Stolze und Cornelius Obonya; dazu gibt's Free Jazz, auf der Querflöte für sie, am Baß für ihn. Wie eine „Slam Poetry“-Session der ersten Stunde kommt das daher. Zwischen den Spielszenen Bewährtes aus dem Archiv: Truppenparade, Mobilmachung, Bücherverbrennung.
Eindrücklich ist das immer wieder und altbekannt. So wie Sanders-Brahms mit dem Etat knausern mußte, knausert sie mit ihrer Phantasie. Und traut sich nicht, eine unglückliche Liebe filmisch zu interpretieren; das sollen die Verse tun. Dann ist es besser, sich gleich Gedichte und Korrespondenz von Yussuf, wie sie sich nannte, und Giselheer, wie sie ihn nannte, vorzunehmen. Von Glut und Blut, allgegenwärtig in der unverwechselbaren Sprache der beiden Expressionisten, ist in „Mein Herz – niemandem!“ nicht mehr viel übrig. Sanders-Brahms hat die beiden zu lange zur Ader gelassen. Alexander Musik
„Mein Herz – niemandem!“ D 1996. Regie: Helma Sanders- Brahms. Mit Lena Stolze, Cornelius Obonya u.a. Heute: 9.30 Uhr Royal Palast, International 20 Uhr, Urania 23.30 Uhr
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