: Im Käfig der Ideologie
■ Wenn Eduard Lintner die Drogentoten zählt
Die Zahl der „Drogentoten“ ist wieder gestiegen. Die Bilanz von Eduard Lintner fällt erneut verheerend aus. Doch den Drogenbeauftragten der Bundesregierung ficht dies nicht an. Für ihn belegen die Zahlen, daß Drogen schlimm sind und ihre Bekämpfung intensiviert werden muß. Ende der Durchsage.
Die Zahl der Toten belegt vor allem das Scheitern der Drogenpolitik. In 25 Jahren Verfolgungspolitik hat sich die Zahl der Opfer versiebzehnfacht. Niemand kann bestreiten, daß mit einer kontrollierten Abgabe von Heroin an Suchtkranke die Ziffer der Toten sofort dramatisch sinken und der illegale Markt zusammenbrechen würde.
Aber die Bundesregierung und ihr Drogenbeauftragter sitzen im ideologischen Käfig. Sie sind süchtig nach Prohibition, gefangen von der Vorstellung, der Polizeiapparat könne das Drogenproblem lösen. Selbst ein winziger wissenschaftlicher Modellversuch, bei dem Cannabis in drei Landkreisen Schleswig-Holsteins zeitbegrenzt in Apotheken verkauft werden soll, löst im Lande der Bierverbrauchsweltmeister und alkoholisierten Kindertotfahrer hysterische Zuckungen aus.
In langen Zahlenkolonnen präsentiert Lintner seine Bilanz. 898 Kilo Heroin, 1.373 Kilo Kokain, 3.809 Kilo Haschisch wurden beschlagnahmt. Da weint der Drogenmafioso. Oder lacht er amüsiert? Die Verbrauchshochrechnungen zeigen, daß beim Heroin allenfalls fünf Prozent des vagabundierenden Stoffs aufgegriffen werden. Die Droge bleibt in jedem Fall verfügbar, selbst wenn halb Deutschland die Polizeiuniform trüge und auf die Pirsch ginge. Die heroinfreie Gesellschaft ist nur um den Preis eines totalitären Regimes erreichbar.
Lintner mag erzählen, was er will. Die Veränderungen kommen. Die Polizeipräsidenten der Metropolen haben mit ihrem Eintreten für eine kontrollierte Heroinabgabe Zeichen gesetzt. Und der nachdenkliche Teil der Bevölkerung hat begriffen, daß die 13 Milliarden Mark, die uns die 100.000 Junkies bei der gegenwärtigen Prohibitionsstrategie jährlich kosten, ein Akt der kollektiven Selbstschädigung sind, den sich dieses Land immer weniger leisten kann.
1.712 Menschen sind gestorben. Es sind keine Drogentote. Es sind Prohibitionstote. Die Totenscheine tragen den falschen Eintrag. Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen