Spanische Lkw-Fahrer auf dem Verhandlungsweg

■ Streik wird bis auf weiteres fortgesetzt. Auch Taxifahrer sind inzwischen im Ausstand. Autoherstellern, nicht nur in Spanien, gehen allmählich die Teile aus

Madrid (taz) – Jetzt mußte die spanische Regierung doch noch einlenken und mit der Lkw-Fahrergewerkschaft Fedetrans verhandeln, exklusiv, als Vertreterin des Sektors. Dabei wollte die Arbeitnehmerorganisation tagelang genau das verhindern.

Statt dessen sollte das Transportkomitee, eine Institution in der neben den Branchenverbänden auch Vertreter verschiedener Ministerien beteiligt sind, den Konflikt lösen. Die von Fedetrans ins Leben gerufene Streikleitung, die vor 13 Tagen den Arbeitskampf ausrief, der mittlerweile das halbe Land lahmlegt, weigerte sich, an den Verhandlungen teilzunehmen und – wie die restlichen Verbände, die sich überhaupt erst im allerletzten Augenblick den Protesten angeschossen hatten – den Streik auszusetzen. Es handele sich um „eine kleine radikale Minderheit“, hieß es daraufhin aus dem Transportministerium, und „auf den Landstraßen herrscht wieder Normalität“.

Fedetrans trat den gegenteiligen Beweis an: Leere Fischregale in den Supermärkten und die allerorts geschlossenen Fabriken zeugen von der Unterstützung, die Fedetrans – in der die meisten Klein- und Kleinstunternehmer organisiert sind – genießt, die den restlichen Verbänden dagegen versagt bleibt.

Die Verhandlungen führten inzwischen zu ersten Einigungen: Künftig sollen keine weiteren Lizenzen für Transportunternehmen mehr vergeben werden. Die Zahl der Lastkraftwagen soll sogar mittels staatlicher Abfindungen bei einer Betriebsaufgabe verringert werden.

Die Kooperativen der Fernfahrer dürfen künftig, wie die Landwirte auch, den Diesel direkt bei den Raffinerien ankaufen. Die dort ausgehandelten Preise für Großabnehmer liegen pro Liter bis zu zehn Peseten unter dem Preis an den Tankstellen. Genau der Betrag, den Fedetrans als Subvention gefordert hat.

Als genial, weil für den Staatshaushalt kostenneutral, wird in Regierungskreisen die Lösung gefeiert, die schon bald neue Probleme heraufbeschwören könnte. Diesmal mit den Tankstellenbesitzern. Sie fürchten um ihre besten Kunden und somit um den Verlust von 70 Prozent ihres Geschäftes. Als Folge drohen dann Tankstellenschließungen und damit der Verlust von bis zu 12.000 Arbeitsplätzen, so rechnet der Tankstellenverband vor. Er berät inzwischen über Protestaktionen für die nächsten Tage.

Nur an einem Punkt konnten Fedetrans und Regierung bisher noch keine Einigung erzielen: beim Rentenalter. Fedetrans verlangt, daß es von 65 auf 60 Jahre herabgesetzt wird, „ohne finanzielle Verluste“. Neben Mehrkosten von zwei Milliarden Mark fürchtet die Regierung einen Präzedenzfall auch für andere Sektoren. Eine wohl nicht ganz unbegründete Befürchtung. Seit Montag machen nun auch die Taxifahrer in den großen spanischen Städten mobil. Sie haben sich den Streiks angeschlossen. Auch sie fordern für sich billigen Sprit und einen verlängerten Lebensabend.

Bis zur endgültigen Einigung gehen die Protestaktionen weiter, die Spaniens Wirtschaft hart treffen. Die Landwirtschaftsverbände reden von Verlusten von über 25 Millionen Mark. Die Industrie mußte mittlerweile immerhin 52.000 Arbeiter in die Kurzarbeit schicken. So schlossen alle Großen der Automobilbranche sowie die gesamte Elektroindustrie wegen fehlender Lieferungen. Darunter die deutschen Unternehmen Bosch, Siemens, Mercedes-Benz, Volkswagen und deren Tochter Seat. Der VW-Konzern bekommt den Lkw-Streik nicht nur in den spanischen Niederlassungen zu spüren. Auch zu Hause in Wolfsburg mußte die Produktion der beiden Modelle Polo und Audi A 3 heruntergefahren werden. Es fehlen Teile.

Nur ein Sektor verdient am Lastkraftfahrerstreik, und das nicht schlecht. Die Tabakschmuggler in der nordspanischen Atlantikregion Galicien streichen, seit die offizielle Ware ausbleibt, für eine Schachtel amerikanischer Zigaretten statt drei Mark nunmehr 4,50 Mark ein. Reiner Wandler