Die Pflege und Hege der schwarzen Schafe

■ Das kriminelle Geschäft mit der Pflegebedürftigkeit Alter und Kranker

Die Hamburger Kriminalpolizei ermittelt zur Zeit gegen 30 private Pflegedienste wegen Betruges. Ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) bestätigte der taz, daß es sich bei den Verdachtsmomenten nur um die ersten Anzeichen einer „neuen Kriminalitätsform“ handle. Bisher sind 66 Anzeigen eingegangen, bei der Staatsanwaltschaft sind sieben Verfahren anhängig. Gegen einen Pflegedienst ist bereits ein Urteil wegen Betruges ergangen.

Den schwarzen Schafen unter den ambulanten Diensten wird vorgeworfen, Alte und Kranke teilweise mit unqualifiziertem Personal oder nur auf dem Abrechnungsbogen betreut zu haben. In manchen Fällen, so fanden die LKA-Ermittler heraus, wurde nur die Hälfte der angeblichen Leistungen erbracht. Auch Ärzte sollen sich an dem lukrativen Geschäft beteiligt haben, denn die Kontrollmöglichkeiten der Krankenkassen reichen offenbar nicht aus, den Pflegedschungel zu durchdringen.

Seit vor eineinhalb Jahren die erste Stufe der Pflegeversicherung in Kraft getreten ist, boomt die Branche. 200 neue Anbieter sind seitdem registriert worden. Die Kassen können erst nach Abschluß eines entsprechenden Strafverfahrens einen Vertrag mit einem ambulanten Dienst wieder kündigen. Auch das wird eventuell nicht viel helfen, weil findige Geschäftsführer zwei Straßen weiter unter einem anderen Namen den nächsten Pflegebetrieb eröffnen.

Die Krankenkassen haben für die Hansestadt rund 450 private Pflegebetriebe zugelassen. Wer – und sei es auf dem Papier – über vier examinierte Pflegekräfte und einen Telefonanschluß verfügt, kann als Pflegedienst zugelassen werden und mit den Kassen abrechnen. Uwe Clasen, Geschäftsführer des Verbandes ambulanter Krankenpflege (VAK), warnt jedoch davor, „alle Anbieter häuslicher Pflege in einen Topf zu werfen“. Die meisten würden sich an die 1995 eingeführten Qualitätsgrundsätze halten. Dort ist beispielsweise vorgesehen, daß der Pflegedienst 24 Stunden am Tag verfügbar sein muß und die Patienten im Notfall mehr als den Anrufbeantworter erreichen.

Um die Auseinandersetzung über eine Qualitätssicherung in der Pflege voranzubringen, wollen sich die Krankenkassen, die Verbände und die Gesundheitsbehörde am 10. März zusammensetzen. Dann soll auch der Vorschlag der Verbraucherzentrale diskutiert werden, eine zentrale Beschwerdestelle einzurichten. Die könnte sich um Mißstände kümmern, die strafrechtlich nicht relevant, für die Patienten aber nicht weniger bitter sind. „Manche Patienten werden innerhalb von vier Wochen von zwölf verschiedenen Pflegekräften betreut“, so Angela Reschke von der Verbraucherzentrale. „Viele ältere Frauen möchten sich nicht von einem Pfleger waschen lassen, Wünsche nach dem Geschlecht der Pflegekraft finden jedoch kaum Berücksichtigung.“

Die AOK will nun durch eine Fragebogenaktion unter Patienten herausfinden, wie es mit der Pflegequalität steht. Allerdings sollen nur 100 Pflegebedürftige befragt werden. Außerdem hat die AOK eine Pflege-Hotline (Tel.: 2023-4444 für alle Fragen zur häuslichen Pflege eingerichtet. Lisa Schönemann