■ Nachschlag
: Mit Zähnen des Glücks gesegnet: Jane Birkin im Pfefferberg

Trotz Berlinale war Jane Birkin nicht als Schauspielerin in der Stadt, sondern als Sängerin, genauer: als Chansonnière. Assoziationskette, voilà!, „Je t'aime“. Mit dem notorisch dahergehauchten Chanson wurde Birkin zusammen mit Serge Gainsbourg Anfang der siebziger Jahre bekannt. An der britischen Französin klebt das Lied, das die Sittenwächter einmal erregte, wie eine Vorstrafe.

Ohne jegliche Starallüren, in Jeans und Pullover, taucht sie am Anfang im Publikum auf und ruft nach sich selbst als Zwanzigjähriger. Wo ist sie hin – blaue Augen, kastanienbraunes Haar? Ein Entrée, das jugendliche Naivität zurechtrücken und zu der fast 50jährigen Frau von heute führen soll, die um ungekünstelten Ausdruck ringt. Mit ihrer hohen Stimme offenbart und entschuldigt sie sich gleichzeitig dafür, daß sie etwas zu sagen hat, das alle schon kennen. Singt sie doch seit Jahren und in wechselnden Arrangements die Lieder ihres vor sechs Jahren gestorbenen Ex-Ehemanns Serge Gainsbourg. Für sie ist er „tot und nicht tot“ – mit zitternden Händen liest sie diese Worte auf Deutsch vor. Wenn sie „Sag mir, daß du mich liebst“ dahinhaucht, zu hoch gesprochen, um noch gesungen zu sein, wenn sie sich in aller Bescheidenheit nicht scheut, kniend ihre Trauer über die Abwesenheit des Geliebten zu singen, dann bricht sie eine Lanze für die Hingabe. Sei's drum, auch wenn Scheitern dazugehört. Birkin verkörpert eine klassische, zarte und scheue Weiblichkeit auf der Bühne. Kontrastiert wird sie von der vierköpfigen Männerband, deren harte Rockrhythmen sie manchmal mit aller Wucht zu treffen scheinen.

Zum ersten Mal ist Jane Birkin außerhalb der französisch-sprachigen Länder und England als Sängerin aufgetreten und zwar im Rahmen der „Francofolies“. Dieses französische Musikfestival mit seinen Ablegern in Belgien, Kanada und Argentinien soll es nunmehr auch regelmäßig in Berlin geben. Nationale Codes verstecken sich entsprechend in dem Plakat, mit dem Jane Birkin angekündigt wurde: Ein lachender, offener Mund mit kleiner Spalte zwischen den oberen Zähnen. Erotik gebrochen am falschen Schönheitsideal. Die frankophile Fangemeinde erkannte darin jedoch sofort die Sängerin, die trotz unerfüllter Sehnsucht mit „dents du bonheur“, Glückszähnen, gesegnet ist. Waltraud Schwab

Weitere „Francofolies“ im Pfefferberg: Aziza A/Lamifa/Mad in Paris (heute), Christian Marquitan/Pascal Obispo (Sonntag), je 20 Uhr