piwik no script img

Verwirrung auf der Durchreise

Eine Stadt zwischen Geisterbeschwörung und Handys: Les Blairs „Jump the Gun“ (Panorama) erzählt von den eher komplizierten Verflechtungen im Johannesburg nach der Apartheid  ■ Von Thomas Winkler

Roadmovies enden so, „Jump the Gun“ beginnt so. Zwei Menschen kommen mit dem gleichen Zug in Johannesburg an. Der weiße Arbeiter Clinton auf Urlaub, die schwarze Sängerin Gugu auf der Flucht vor ihrem Mann. Noch kreuzen sich ihre Wege nicht, aber sie werden es.

In Johannesburg warten Kriminelle, die Goldketten, Baseballkappen und kalifornischen Gangsta-Rap adoptiert haben, es warten Bars, Prostituierte, Waffen, Partys, teure Autos. Auf Zulu heißt Johannesburg „Egoli“, die goldene Stadt. Gugu benutzt ihren Körper, um sich Möglichkeiten zu schaffen. Ihre Tante warnt sie: „In Johannesburg gibt es nichts umsonst.“ Trotzdem glaubt Gugu, sie kontrolliere die Männer. Clinton sieht nicht nur aus wie aus einem Kaurismäki-Film entsprungen, sein Englisch ist auch ungefähr so verständlich wie Finnisch. Im Waffenladen weiß der 12jährige Kiebitz mit den Knarren besser als er Bescheid. Also putzt er erst mal mit Spucke seine Cowboystiefel aus Schlangenleder und zieht los. Er lernt eine Nutte kennen, aber kurz vor dem Beischlaf macht das Landei ein paar Liegestütze, um seine Brustmuskulatur zu stärken.

Die Verschwisterung der Rassen findet im Klo bei einer Nase Koks statt. Später dann stellt Clinton fest: „Das ist das erstemal, daß ich eine richtiges Gespräch mit einer Schwarzen führe.“ „Gut, du wirst dich auch daran gewöhnen müssen“, antwortet Gugu. Eine Stadt zwischen Geisterbeschwörungen und Handys, zwischen Nadelstreifen und Trainingsanzug, zwischen Afrikaans, Englisch und Zulu. Aber auch in dieser Stadt hat es dann doch meist die ganz normalen, die universellen Probleme. Auch in Johannesburg regnet es, verlieben sich Menschen und werden enttäuscht, werden Freundschaften geschlossen und aufgekündigt, rastet man aus und ist zärtlich, zerbrechen manche Illusionen und manche nicht. Und Clinton macht das alles sprachlos: „Im starting to feel this feeling of emotion for you.“

Der englische Regisseur Les Blair hat einen Film über Südafrika gemacht, der manchmal lustig ist, aber meist wie eine Bestandsaufnahme mit den Augen des Europäers aussieht. Vielleicht ist es gerade dieser Blick, mit dem auch viele Südafrikaner gerade auf ihr eigenes Land schauen. Zumindest macht uns das „Jump the Gun“ glauben. Manche Lebensläufe kreuzen sich, hin und wieder paßt ein Teil zum anderen, fügt sich etwas zum anderen und anderes nicht, aber das ganze große Puzzle kriegt man niemals fertig.

Clinton muß schließlich wieder auf die Ölfelder fahren, weiterarbeiten, seine Liebe verlassen. Gefunden hat er vor allem Verwirrung auf seiner Durchreise. Gugu aber bleibt, sie hat ihren Platz gefunden. Das kann nun jeder interpretieren, wie er es für richtig hält. Der südafrikanische Botschafter war übrigens auch da zur Uraufführung außerhalb des Entstehungslandes.

„Jump the Gun“. Südafrika/GB 1996, Buch und Regie: Les Blair. Mit Baby Cele, Lionel Newton, Rapulana Seiphemo, Thulani Nymebe, Michele Burgers u.a.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen