Die Vorschau: Widerstand mit den Mitteln der Kunst
■ Vier Jahre nach der Grundgesetz-Novelle wollen Bremer KünstlerInnen kreativen Rabatz gegen die Asylgesetzgebung machen
Westafrikanische Rhythmen eröffneten am verganenen Freitag einen Abend, an dem es um eine besondere Form von Kultur ging: Um das politische Engagement von KünstlerInnen. Unter dem Titel „Flucht-Zeiten“ trifft sich seit einigen Monaten ein kleiner Kreis von KünstlerInnen unterschiedlicher Nationalitäten regelmäßig im Fuhrpark-Kulturzentrum in der Neustadt, um für den kommenden Herbst ein multimediales, über die ganze Stadt verteiltes Kunstspektakel vorzubereiten. Fast vier Jahre nach der Verabschiedung der Grundgesetznovelle wollen die Beteiligten die Problematik von Asylgesetzgebung und Flüchtlingen hierzulande mit den Mitteln der Kunst erneut in die öffentliche Diskussion bringen.
Hervorgegangen ist das Projekt aus der „Flucht-Wege“-Ausstellung im vergangenen Herbst in der Galerie Cornelius Hertz . Der für sein politisches Engagement bekannte Galerist ist einer der Hauptinitiatoren des „Flucht-Zeiten“-Projekts, an dem bisher neben dem Fuhrpark-Kulturzentrum auch die GaDeWe, der Schlachthof und der Internationale Menschenrechtsverein Bremen beteiligt sind.
Ziel der für den Herbst geplanten Aktion ist es, möglichst viele KünstlerInnen aller Sparten anzuregen, „gegen die Asylgesetzgebung anzugehen und den Widerstand von unten mit den Mitteln der Kunst zu stärken“, so Cornelius Hertz. Das soll diesmal jedoch nicht in Form einer Einzelveranstaltung in einer Galerie geschehen, sondern als flächendeckendes Ereignis im öffentlichen Raum, auf den Straßen sowie im Flughafen, Hafen und Bahnhof als den Schauplätzen von polizeilichen Kontrollen und von Abschiebungen.
Zentrales Anliegen ist den Initiatoren dabei die direkte Beteiligung von Flüchtlingen und Asylbewerbern, damit das Projekt nach Hertz' Angaben kein „Feigenblatt oder eine Multi-Kulti-Ausstellung“ wird, in der die KünstlerInnen doch nur unter sich bleiben. Auf dem Programm stehen bisher diverse Malaktionen in Flüchtlings-Wohnheimen mit anschließenden Ausstellungen eben dort, damit Politiker und Bevölkerung auf diesem Wege dazu veranlaßt werden, die Verhältnisse in den Wohnheimen vor Ort kennenzulernen. Ebenso geplant ist ein Mahnmal für die Opfer des täglichen Rassismus in Form einer öffentlichen Skulptur sowie eine Plakataktion, die auch zu wilder, illegaler Plakatierung bereit ist.
Darüber hinaus gab es am Freitag freilich noch wenig Konkretes zu hören. Den Initiatoren ging es zunächst darum, möglichst viele KünstlerInnen überhaupt für dieses politisch motivierte Projekt zu gewinnen und die Berührungsängste zu zerstreuen, die hinsichtlich politischer Kunst hierzulande besonders ausgeprägt sind, wie der bosnische Künstler Predrag Tapavicki festgestellt hat. Seine Anregung, sich die französischen KünstlerInnen und Intellektuellen zum Vorbild zu nehmen und wie sie etwas mehr politischen Mut zu zeigen, sollte die heimische Szene wirklich nicht überhören. Wer sich also von dem Projekt angesprochen fühlt und Ideen und Anregungen einbringen möchte, kann jederzeit zu der offenen Planungsgruppe stoßen, die sich weiterhin jeden Freitag um 20 Uhr im Fuhrpark-Kulturzentrum trifft. Moritz Wecker
„Flucht-Zeiten“ – KünstlerInnenprojekt, jeden Freitag um 20 Uhr im Fuhrpark-Kulturzentrum, Buntentorsteinweg 112, Eingang Turm (neben der Städtischen Galerie).
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