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Spurensuche in Wilmersdorf

■ Eine neue Broschüre führt zu Orten von "Verfolgung und Widerstand 1933 bis 1945". Ein Stadtplan weist den Weg zu verschütteten oder noch erkennbaren Spuren der Verfolgung

Bertolt Brecht und Erich Kästner, Max Reinhardt und Ernst Busch, Ernst Bloch und Walter Benjamin und immer so weiter: Die Liste der Dichter, Denker und Künstler, die in den zwanziger und dreißiger Jahren in Wilmersdorf lebten, ist lang. Jene derer, die ihre Heimatstadt verlassen mußten, ist kaum kürzer.

Wilmersdorf, 1910 als Deutsch- Wilmersdorf noch eine eigenständige Großstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern, wurde 1920 zum Verwaltungsbezirk von Groß- Berlin. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung war mit 15 Prozent der höchste aller Bezirke. Viele jüdische Institutionen hatten sich dort angesiedelt: Buch- und Zeitungsverlage und ein Altenheim etwa. Nicht zuletzt hatte hier der „Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ seinen Sitz, der mit 40.000 Mitgliedern als größte jüdische Organisation Deutschlands für das Bürgerrecht der Juden im deutschen Reich eintrat. 1930 wurde in der Prinzregentenstraße die dritte Synagoge des Stadtteils eingeweiht. Im selben Jahr gab Marlene Dietrich, die nur einige Ecken weiter in der Kaiserallee (heute Bundesallee) wohnte, im „Blauen Engel“ die Lola. Danach ging sie in die USA. Die Synagoge wurde 1938 von den Nazis in Brand gesetzt, ihre Ruine nach dem Krieg abgerissen.

Das Bezirksamt Wilmersdorf hat nun eine Broschüre veröffentlicht, anhand derer man den Spuren von „Verfolgung und Widerstand 1933 bis 1945“ in Wilmersdorf vor Ort nachgehen kann. Mehr als 200 Personen und Orte sind verzeichnet, kurz beschrieben und größtenteils auch abgebildet. Ein beiliegender Stadtplan weist den Weg zu „verschütteten oder noch erkennbaren Spuren der Verfolgung im Nationalsozialismus und des Widerstandes gegen die nationalsozialistische Diktatur“, wie es „zum Geleit“ heißt. Wer mag, kann so den Weg beschreiten, den Heinrich Mann genommen haben muß, um seinen Neffen Klaus zu besuchen, bevor beide 1933 nach Paris emigrierten. Das Wohnhaus des Schriftstellers ist eines von vielen, die heute mit einer Gedenktafel gekennzeichnet sind. Ebenso das des Verlegers Samuel Fischer, der sich bis zu seinem Tod im Jahre 1935 weigerte, Berlin zu verlassen. Eine weitere Tafel verweist auf den ehemaligen Standort der Synagoge Friedenstempel, die in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 in Flammen aufging. Wie dieser gedenkwürdige Ort lassen sich auch ehemalige Zwangsarbeiterlager und „Judenhäuser“ mit Hilfe der Broschüre aufsuchen. Die aufgeführten Persönlichkeiten und Stätten, so die Herausgeber in der Einführung, sollen auch Stellvertreter sein für jene ungenannten, „die nicht lokalisierbar waren und wo anonym Widerstand geleistet wurde, so in den Wohnungen, in denen jüdische Mitbürger versteckt wurden, oder die, im ständigen Wechsel, illegale Treffpunkte waren, der Gemüsestand, an dem Flugblätter verteilt wurden oder die Taxifahrerkneipe, die ein antifaschistischer Treffpunkt war“.

Die überlieferten Namen und Orte sind in der Broschüre nicht alphabetisch, sondern nach acht Abschnitten des Stadtplans geordnet , die jeweils ein Gebiet umreißen, das zu Fuß am Stück zu bewältigen ist. Ein detailliertes Namens- und Sachregister ermöglicht dennoch, einzelne Orte oder Namen rasch zu finden. Zum Beispiel Walter Benjamin: Der jüdische Schriftsteller und Philosoph lebte, mit Unterbrechungen, bis zu seiner Emigration nach Frankreich im Jahre 1933 in Wilmersdorf. 1991 beschlossen die Fraktionen der SPD, der Bündnisgrünen und der FDP in der Bezirksverordnetenversammlung des Stadtteils, den Seebergsteig in Walter-Benjamin- Straße umzubenennen. Dessen bisheriger Namenspatron, der Theologe Reinhold Seeberg, hat seinerzeit an der Verbindung des evangelischen Christentums mit dem Nationalsozialismus gewerkelt. Allein die CDU-Fraktion, die in Wilmersdorf die absolute Mehrheit hält, hat bis heute die Umbenennung verhindert. Dieselbe CDU-Fraktion hat 1995 die Installation einer Gedenktafel für Helene Jacobs aus Kostengründen abgelehnt. Die Wilmersdorfer Rechtsanwaltsgehilfin hielt bis zu ihrer Verhaftung im Jahr 1942 Illegale versteckt und verhalf vielen zur Flucht. Nun weist immerhin die Broschüre darauf hin, daß sie dafür vom Staat Israel als „Gerechte der Völker“ geehrt worden ist. Holger Wicht

Udo Christoffel, Elke von der Lieth (Hg.): „Berlin Wilmersdorf. Verfolgung und Widerstand 1933 bis 1945“. Verlag Willmuth Arenhövel, 130 Seiten mit 95 S/W-Abbildungen, für 15 DM erhältlich über den Buchhandel und in der Kommunalen Galerie. ISBN 3-922912-39-7.

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