: „In Ostdeutschland gibt es auch noch was“
■ Ost-CDUler verbuchen Kompromiß bei Gewerbekapitalsteuer als ihren Erfolg
Bonn (taz) – Die ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten bezeichnen den Kompromiß in ihrer eigenen Partei zur Gewerbekapitalsteuer als Erfolg und als Zeichen dafür, endlich ernster genommen zu werden. Dagegen regt sich allerdings Widerspruch: Der thüringische Ministerpräsident Vogel (CDU) lehnt das Verhandlungsergebnis als unzureichend ab. Die SPD kritisiert, die Ost-Parlamentarier hätten sich über den Tisch ziehen lassen. Der FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms warnt die CDU davor, daß solcherart Erpressungsversuche wie der der ostdeutschen CDUler „nicht Schule machen dürfen“. In der vergangenen Woche hatten 66 ostdeutsche Abgeordnete angekündigt, nicht mit der Koalition für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zu stimmen, falls den Kommunen in den neuen Ländern nicht rückwirkend zum 1. Januar 1997 finanzielle Zusagen gemacht würden.
Die für vergangenen Freitag angesetzte Abstimmung im Bundestag über die Gewerbekapitalsteuer mußte daher auf den kommenden Freitag verschoben werden. Wie es hieß, soll Fraktionschef Wolfgang Schäuble wütend gewesen sein.
Die Ost-Parlamentarier hatten für ihre Zustimmung zur Abschaffung der Gerwerbekapitalsteuer ursprünglich eine Kompensation in Höhe von etwa 500 Millionen Mark verlangt, die den Kommunen zugute kommen sollte. Ereicht haben sie nun günstigere Kreditbedingungen im Wert von etwa 130 Millionen Mark. „Das ist zwar nicht so toll wie Cash, aber besser als gar nichts“, freut sich der sächsische Bundestagsabgeordnete Gerhard Schulz. Die Alternative wäre gewesen, in diesem Jahr gar nichts zu bekommen. Schließlich werde die Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland nicht erhoben. Insofern könne strenggenommen keine Kompensation für ihre Abschaffung verlangt werden. Schulz beklagte, daß die ostdeutschen Abgeordneten in der Bundestagsfraktion nicht richtig ernst genommen würden. Die Fraktion treffe Entscheidungen, ohne die Ost-Parlamentarier rechtzeitig einzubinden. Reiner Krziskewitz aus Sachsen- Anhalt, Mitglied im Finanzausschuß, kritisiert: „Wenn wir rechtzeitig gefragt worden wären, hätte es keinen Ärger geben.“ Die Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen würden mit ihren Steinkohle- Forderungen ja auch nicht einfach übergangen.
Spöttisch reagieren die Abgeordneten auf die Kritik des FDP- Fraktionschefs Solms am Verhalten der Ost-Parlamentarier. Schulz sagt: „Wir tanzen der Koalition nicht so sehr auf der Nase herum, wie es die FDP tut.“ Und Krziskewitz: „Für Herrn Solms ist es wohl neu, daß es im Osten auch noch was gibt.“
Mit Genugtuung sehen einige ostdeutsche Abgeordnete, daß sie nicht völlig machtlos sind. Schon bei der Diskussion um die ABM- Kürzungen im letzten Jahr hatten sie sich teilweise gegen die Fraktion durchgesetzt. Damals verzichtete die Koalition darauf, die Zahl der ABM-Stellen im Osten bis zum Jahr 2000 auf ein vergleichbares Niveau wie im Westen zu reduzieren. Für den sächsischen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Dehnel belegen die jüngsten Ereignisse: „Ohne unsere Mitsprache geht es nicht.“ Markus Franz
Siehe auch Seite 7
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