: Ohne Staatsanwalt wäre Schluß gewesen
■ Das Landgericht wollte den Prozeß wegen der RAF-Einbürgerungen in die DDR einstellen. Der Ankläger lehnte ab. Jetzt soll Altkanzler Schmidt als Zeuge kommen
Berlin (taz) – Die Bombe entpuppt sich nicht einmal als Bömbchen. Spektakuläres hatte Rechtsanwalt Pfannenschwarz für den gestrigen Verhandlungstag vor dem Berliner Landgericht angekündigt – so spektakulär Neues über die Einbürgerung von RAF- Mitgliedern in die DDR, daß die Anklage gegen die vier Stasi-Offiziere, die wegen des RAF-Ausstiegs vor Gericht stehen, zusammenbrechen werde. Was dann kommt, ist ein Beweisantrag: Der Altbundeskanzler Schmidt solle als Zeuge geladen werden, der werde bekunden können, daß ihn Erich Honecker bei einem Gespräch in den 80er Jahren „über die Resozialisierung von zehn RAF- Aussteigern informierte“. So spannend Pfannenschwarz, der den früheren MfS-Offizier Günter Jäckel vertritt, diese Frage findet, sowenig Bedeutung mag ihr der Vorsitzende der 22. Großen Strafkammer beimessen. „Simpel, egal“, sagt Richter Faust. Die Frage, wie weit Bonner Stellen unterrichtet waren, habe mit dem Strafvorwurf der Strafvereitelung nichts zu tun. Auch wenn die Medien ihre Spekulationen in den letzten Tagen auf die ersten Seiten hievten, „dieses so hochgekochte Thema kann man so einfach für die Frage der Strafbarkeit abhaken“.
Gleichwohl läßt Richter Faust am zweiten Prozeßtag erkennen, wie wenig er von der Schuld der Angeklagten hält. Er betont zwar eine mögliche Strafbarkeit, er reduziert den Strafvorwurf aber auf den Versuch einer Strafvereitelung. Er regt bei allen Verfahrensbeteiligten sogar an, den Prozeß „gegen Zahlung einer nicht allzu hohen Geldstrafe einzustellen“. Der Staatsanwalt lehnt ab. Seine Behörde mache da nicht mit.
Der Antrag, Helmut Schmidt zu laden, wird zurückgestellt. Das gleiche Schicksal erleidet der Antrag des Verteidigers vom angeklagten Gerd Peter Zaumseil. Dieser will den früheren BKA-Chef Zachert und den einstigen Kölner Verfassungsschutzpräsidenten Boeden in der Sache „Was wußte Bonn?“ als Zeugen vor Gericht sehen. Vehement weisen die Rechtsbeistände die These des Vorsitzenden zurück, eine mögliche Mitwisserschaft Bonns spiele keine Rolle. Wenigstens für Bewertung der Tat sei dies von großer Bedeutung.
Bleibt Richter Faust bei seiner Auffassung, dann muß er die Anträge ablehnen. Die Anwälte werden es für die spätere Revisionsbegründung notieren. Ohne den Staatsanwalt hätte sich gestern das Verfahren zwanglos erledigt. Die Angeklagten wollten der Einstellung zustimmen, die Türen des Gerichtssaales wären geschlossen worden. So geht es nun am kommenden Mittwoch weiter – vielleicht bis zum Bundesverfassungsgericht. Wolfgang Gast
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