Herzliche Einladung ins Wendland

■ Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg versichert: „Wir bringen alle unter.“ Eindrückliche Absage an Gewalt und Warnung vor Provokateuren der Polizei

Eine Abstimmung mit den Füßen gegen den Castor-Transport wird es werden, eine Abstimmung „von mehreren zehntausend AKW-GegnerInnen für den Atomausstieg“, versichert Wolfgang Ehmke. Bei dieser Zahl hat der BI-Sprecher alle im Blick, die dieser Tage zwischen Neckarwestheim oder Gundremmingen und dem Gorlebener Zwischenlager gegen das „sinnlose Herumkarren der sechs Behälter voller hochradioaktivem Müll“ auf die Straße gehen. Für die großen Blockaden, mit denen sich die Castor-GegnerInnen ab Montag abend zwischen Dannenberg und Gorleben querstellen oder besser auf der Straße quersetzen werden, sind dem wendländischen Widerstand jede Frau und jeder Mann willkommen. „Aber leider haben nicht alle Castor-Gegner die Zeit, zu uns ins Wendland zu reisen und die ganzen Tage hier zu bleiben“, meint Ehmke. Er setzt deswegen auch auf die Protestaktionen entlang der Transportstrecke quer durchs Land, auf die Auftaktdemonstration heute ab 10 Uhr in Lüneburg und ebenso auf die TeilnehmerInnen der großen „Stunk-Parade“ in Dannenberg. Bei der will am Sonntag morgen die Bäuerliche Notgemeinschaft zeigen, daß sie diesmal noch mehr Traktoren auf die Straße oder Transportstrecke bringt.

Die meisten Castor-GegnerInnen erwartet die Bürgerinitiative zum Höhepunkt der „fantasievollen und entschlossenen“ Proteste, zum Querstellen auf der Straße am kommenden Dienstag und Mittwoch im Wendland. Die 12 Camps und Wagenburgen, die beiderseits von Bahnlinie und Straße aufgebaut werden, sind ziemlich ausgebucht. „Zusammen sind das 8.000 Plätze, und die werden voll“, heißt es im Büro der BI. Und dem folgt gleich die Versicherung, daß „wir jederzeit noch viel mehr unterbringen können“.

Zu einem regelrechten Servicezentrum hat sich das BI-Büro in den letzten Wochen entwickelt. Etwa dreimal so viele Anfragen wie im vergangenen Jahr beim letzten Gorleben-Castor gehen dort ein. Da wird auch dem Paar geholfen, „das Säuglinge hat und nicht im Zelt schlafen kann“. Und den Rollstuhlfahrer und Castro- Gegner holen eben Einheimische vom Bahnhof ab.

Für 4 Uhr am frühen Montagmorgen ist im baden-württembergischen Walheim die Abfahrt dieses bisher größten bundesdeutschen Atommülltransports geplant. Wenn alles nach der Einsatzplanung läuft, soll der Transport um 15 Uhr an der Verladestation, dem Castor-Kran, am Dannenberger Ostbahnhof eintreffen. Der Straßentransport der Behälter auf sechs Tiefladern nach Gorleben ist zwar erst für Mittwoch morgen vorgesehen. Aber weil dieser möglicherweise schon einen Tag früher beginnen könnte, will der wendländische Widerstand schon am Montag mit der gewaltfreien und entschlossenen Besetzung der Straßen zwischen Dannenberg und Gorleben beginnen.

Daß Widerstand Erfolg haben kann, bewiesen in den letzten Tagen die SchülerInnen des Dannenberger Gymnasiums. In ihrer Turnhalle wird die Polizei jedenfalls nicht Quartier nehmen. Das hat jetzt die Bezirksregierung in Lüneburg zugesagt; erst danach haben die jungen AKW-GegnerInnen das Gebäude verlassen. Die Einsatzleitung der Polizei, die in den Transporttagen über 11.300 Polzisten im Wendland und dazu je nach Bedarf über mehrere tausend BGS-Beamte das Kommando haben wird, ist zwar entschlossen, dem Transport den Weg zu bahnen. Sie hat sich aber zumindest öffentlich auch einem besonnenen deeskalierenden Polizeieinsatz verpflichtet. Eine Eskalation, wie sie Scharfmacher von Format eines Bundesinnenministers Manfred Kanther herbeireden, will die BI zuallerletzt. Wer mit dem Vorsatz ins Wendland komme, mit Stahlkugeln auf Polizisten schießen und Steine schmeißen zu wollen, sprenge den über 20 Jahre gereiften Konsens des Widerstands, warnt BI-Sprecher Ehmke. „Die Gewaltfalle“ ist seiner Ansicht nach „weit aufgespannt. Die Scharfmacher der Gegenseite warten nur darauf, daß wir hineintappen.“

Beim letzten Castor-Transport waren wiederholt Polizeibeamte in Zivil beim Einsammeln von Wurfgeschossen und auch beim Zündeln auf Bahngleisen beobachtet worden. Der Aktion „x-tausendmal quer“, bei sich inzwischen 4.000 zur Sitzblockade gegen den Castor verpflichtet haben, sind ernstzunehmende Hinweise eingegangen, daß Polizeibeamte in Zivil bei den gewaltfreien Bezugsgruppen mitmachen wollen. Jürgen Voges, Hannover

Eine Übersicht über Anti-Castor- Aktionen findet sich täglich, auch heute, auf Seite 6 der taz