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Fit for fun im Restaurant

■ Das Buch zum Film, das T-Shirt zur CD - und jetzt gibt's die Kneipe zur Zeitschrift

„Kampf dem Winterspeck“, titelt die monatliche Lifestyle-Zeitschrift Fit for Fun (300.000 verkaufte Exemplare) der Hamburger Verlagsgruppe Milchstraße (TV-Spielfilm, Cinema, Max, Amica) auf ihrer Märzausgabe. Wer möchte, kann seinen Problemzonen entweder nach Anleitung per heraustrennbarem Work- out-Poster zu Leibe rücken – oder Abhilfe in kulinarischer Form suchen – im neu eröffneten Restaurant Fit for Fun.

Damit liefert erstmals bundesweit ein Produkt der Printmedien die Vorlage für einen gleichnamigen Speisetempel. Die Gaststätte für Leserinnen und andere liegt werbewirksam dem Eingang des Verlagshauses gleich gegenüber – im piekfeinen Stadtteil Pöseldorf.

Die dreispaltige Speisekarte steht unter dem Motto „Gesünder essen“ und bietet Gerichte zwischen knapp 10 und etwa 30 Mark an: Zu haben ist Gängiges wie Sandwiches, Soups, Pasta, Desserts oder Salads. Ein neckisches rotes Kreuzchen vor einem Gericht steht lapidar für „überdurchschnittlich viele Vitamine“ und ein grünes Kreuzchen für „Slim Line kalorienbewußt“. Speisen ohne Kennzeichnung müssen demnach wohl „normal“ sein. Klärung schafft wenig später Objektleiter Herr Astmann – immerhin werden selbst in der Spiegel- oder Gruner + Jahr-Kantine die Kalorienzahlen aufgelistet. Anders bei Fit for Fun. Genaue Angaben könne man nie machen, heißt es, nur ein bißchen mehr Dressing im Salat, und schon werde eine pauschale Berechnung ungenau. Und Verwirrung darf den Gästen nicht zugemutet werden, Transparenz heißt die Devise.

Das Küchenteam in marineblauer Arbeitskluft mit orangen Knöpfen wirbelt gleich neben der Tür des Restaurants, durch flächendeckende Vollverglasung sowohl von der Straße als auch direkt vom Tresen perfekt einsehbar – laut Objektleiter „weltweit das erste Mal“. Heimlichem Gemansche sowie unkontrolliertem Nasepopeln soll so Einhalt geboten werden. Etwas abseits vom Restaurantbereich gegenüber der Bar laden Sitzgelegenheiten im Hörsaalstil. Nur mittels Service- Härtetest gelingt es, auf dem winzigen ovalen Single-Seitentischchen ein Körbchen mit italienischem Brot plus Kräuterquark (Butter, Sahne und Zucker sind hier tabu), Penne „Fit for Fun“ (mit sechs Gemüsesorten, 14,20 Mark, ein rotes Kreuz) und ein Glas „Morning Starter“ (Melone, Orange, Apfel, frischgepreßt, 4,80 Mark, ein rotes und ein grünes Kreuz) zu arrangieren.

Die zwar etwas salzarme Kost schmeckt, auch die Portion ist in Ordnung. Skepsis herrscht dagegen am Nebentisch. Die Dame hat eine Kartoffelsuppe bestellt und vermutet nach dem ersten Löffel ein Instantprodukt! Hektische Flecken beim Kellner und Beteuerungen bezüglich der Natürlichkeit. Die Zweiflerin beschwichtigt: „Schmeckt doch prima, das spricht für meine Tütensuppe zu Hause!“

Das ist nun wirklich nicht fair – bei so viel Mühe. Wochenlang wurden Testgruppen im Fit for Fun Restaurant durchgefüttert, darunter viele Mitarbeiter des Milchstraße-Verlages. Meldungen über Zwangsmaßnahmen oder extremen Nachholbedarf bei McDonald's sind böse Verleumdungen. Im Gegenteil, der Laden brummt am Eröffnungstag zur Mittagszeit. Ohne Werbung und Pressevorführung sind alle 120 Plätze auf den 400 Quadratmetern belegt. Dem Verzicht aufs Rauchen wird auf kleinen Kärtchen gedankt – verboten ist es aber nicht.

Obst, Gemüse oder Rindfleisch sind laut Astmann nur erste Wahl. Vieles davon wird von Ökobauern oder aus der Biobäckerei bezogen. Im angrenzenden kleinen Einkaufsmarkt werden exotische Zwischensnacks angeboten: vegetarische Eiscreme oder englische Kekse, hergestellt aus Getreide von den ökologischen Feldern des Prinz Charles. Das hat seinen Preis. Doch auch hier greift die nach dem ersten Eindruck gutbetuchte Kundschaft begeistert zu. Auf einen angrenzenden Fitness- Folterraum wurde verzichtet, hier wird schließlich nicht hemmungslos geschlemmt. Die wenigsten sehen allerdings so aus, als hätten sie wirklich Probleme damit, fit zu sein – ob sie jedoch auch ihren Fun haben, steht auf einem anderen Blatt. Caroline Schmidt-Gross

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