piwik no script img

„Landowskys Haltung ist nicht hinnehmbar“

■ Michel Friedman über die Wehrmachtsausstellung in Frankfurt und den CDU-Rechtsruck

taz: Herr Friedman, Frankfurts christdemokratische Oberbürgermeisterin Petra Roth weigert sich, die Wehrmachtsausstellung im April in ihrer Stadt zu eröffnen. Die Paulskirche sei der falsche Ort dafür. Verstehen Sie Ihre Parteifreundin?

Michel Friedman: Ich halte die Paulskirche für den richtigen Ort und hätte mir gewünscht, daß Frau Roth souverän genug ist, diese Ausstellung zu eröffnen. Dabei kann man ja auch differenzierte Bemerkungen machen. Ich werde diese Ausstellung in Bremen eröffnen, und zwar im Rathaus.

Ist das Paulskirchen-Argument also eine Schutzbehauptung von Petra Roth, der die ganze Richtung der Ausstellung nicht paßt?

Ich will die Motive von Frau Roth, die ich als liberale und offene Frau kennengelernt habe, hier nicht interpretieren.

Bernhard Mihm, der CDU- Fraktionsvorsitzende in Frankfurt, hat die Wehrmachtsausstellung „ungerecht, beleidigend und nicht akzeptabel“ genannt. Finden Sie das akzeptabel?

Nein, ich stehe voll und ganz hinter der Wehrmachtsausstellung – auch wenn sie einige Schwächen haben mag. Die Geschichte der Wehrmacht hat viele Facetten: Nicht alle Soldaten waren Mörder, aber es gab Mörder in Wehrmachtsuniform. Wesentlich aber ist, daß diese Ausstellung eine Diskussion über die Verbrechen der Wehrmacht in Gang setzt.

Welche Schwächen meinen Sie?

Sie könnte ein Stück differenzierter sein und so die Gegenargumente entkräften. Trotzdem ist dies ein konstruktiver Impuls für eine offene Debatte. Und ein Mittel gegen den rechtskonservativen Versuch, ein Idealbild von der Wehrmacht zu konservieren.

Repräsentiert Bernhard Mihm denn die Frankfurter CDU?

Nein. Es gibt in der Frankfurter CDU beide Positionen: die von Mihm und vor allem von Frau Steinbach – und meine. Was mir ausgesprochen problematisch erscheint, ist, daß dieses Thema polarisiert und radikalisiert wird.

In letzter Zeit häufen sich in der CDU/CSU solche rechten Polarisierungen. Als nur ein Beispiel hat das CSU-Zentralorgan Bayernkurier die Wehrmachtsausstellung einen „Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Volk“ genannt. Ein Rechtsruck in der CDU?

Nein, solche Äußerungen sind in der Partei nicht mehrheitsfähig. Es gab auf Bundesebene ja auch entsprechende Antworten von Heiner Geißler und anderen. In der Tat gibt es in jüngster Zeit einige Enthemmungen, die testen wollen, wie weit sie gehen können.

Der Berliner CDU-Politiker Klaus-Rüdiger Landowsky hat neulich Osteinwanderer „Abschaum“ genannt.

Das ist nicht hinnehmbar. Es gibt eine bedenkliche Verschiebung dessen, was im Rahmen der demokratischen Parteien möglich ist. Diese Tendenz wird von Rechtsintellektuellen unterstützt.

Seit wann?

Spätestens seit dem Historikerstreit, der 1986 begann. Dabei ging und geht es scheinbar nur um die Interpretation der Vergangenheit – aber eben auch um die zukünftige Identität Deutschlands. Denn die Bewertung der Vergangenheit ist gleichzeitig Orientierung für unsere heutige Position. Das bringt das Land in eine falsche, rückwärtsgewandte Richtung, die diese Gesellschaft eigentlich überwunden hat. Interessant ist, daß die „linken“ Parteien wie Grüne und SPD solche sprachlichen Entgleisungen nicht mehr nutzen, um dagegen anzugehen. Das war vor zehn Jahren noch anders.

Sie halten dies für einen Fehler?

Natürlich.

Wo ist für Sie die Schmerzgrenze in der CDU?

Die Frage ist: Was ist die CDU? Es gab in den letzten Monaten Versuche, in der Frankfurter CDU rechte Tendenzen durchzusetzen. Aber Bernhard Mihm macht nur einen Teil der Partei aus, nicht die Mehrheit. Unser Kreisvorstand hat übrigens gestern beschlossen, zu keiner Gegenveranstaltung zu der Ausstellung aufzurufen. Mit elf zu fünf Stimmen. Immerhin.

Glauben Sie, daß Mihms Äußerungen das Vorspiel für eine Annäherung der Frankfurter CDU an die „Republikaner“ ist?

Auf keinen Fall. Interview: Stefan Reinecke

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen