■ Aus Delia Zamudios Buch: „Eine Frau als Vorsitzende? Gar eine Schwarze? Niemals!“
„In den siebziger Jahren gab es Probleme. Wir verdienten wenig (bei Schering, d. Red.). Als wieder einmal Vorstandswahlen (bei der Betriebsgewerkschaft, d. Red.) anstanden, kritisierte ich das: „Ihr müßt etwas tun, damit wir mindestens so viel wie die anderen Pharmabeschäftigten verdienen.“ Der Generalsekretär (der Gewerkschaft, d. Red.) erwiderte: „Die Kollegin verhält sich nörglerisch und besserwisserisch.“ Wir hatten allerdings schon seit einiger Zeit das Verhalten der Gewerkschaftsführer beobachtet, das egoistisch und ausschließend wirkte, und so schlossen sich einige Kolleginnen meiner Kritik an: „Ja, Delia hat recht!“ Der Generalsekretär wurde sehr böse: „Wenn ihr glaubt, daß ihr die Sache besser machen könnt als wir, gehen wir. Hier sind die Ämter, niemand von uns wird sie annehmen.“ Der Kollege sprang auf, die anderen elf Männer ebenfalls, und sie verschwanden. Wir gingen nachsehen und fanden sie – wie erwartet – beim Bier. Ich war sauer: „Das ist eine Frechheit, Kolleginnen, die Herren sind unten beim Saufen! Sie vertragen offenbar keine Kritik. Laßt uns einen Vorstand wählen und selbst kämpfen, Kolleginnen.“
Als wir gerade zur Abstimmung schreiten wollten, kam einer der Männer und wollte nachsehen, was wir taten. „Das kann nicht sein, Kolleginnen. Ihr wählt, ohne daß ein Mann dabei ist?“ Wir antworteten sofort: „Der Posten des Sportsekretärs ist noch zu haben. Nimmst du die Kandidatur an oder nicht?“ – „In Ordnung“, sagte er etwas zweifelnd. Nach dem Ende unserer Versammlung benachrichtigte der von uns gewählte Kollege die anderen Männer. Als erster betrat der frühere Gewerkschaftsvorsitzende den Raum. Äußerst überrascht brüllte er: „Wer glaubt ihr, daß ihr seid, um einen Führungswechsel durchzuführen?“ Da stand ich auf: „Kollege, der Führungswechsel ist absolut gültig, denn der neue Vorstand wurde von der Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder gewählt. Insgesamt sind wir 54 Arbeiterinnen und Arbeiter, davon sind 13 männlich, und ein Mann ist eben gewählt worden. Die 41 Arbeiterinnen sind mit dem neuen Vorstand einverstanden. Ihr zwölf Kollegen seid leider in der Minderheit.“
Sie konnten nicht glauben, daß der Führungswechsel ohne sie stattgefunden hatte. Ein Kollege war vor Wut rot angelaufen und schrie: „Das ist völlig inakzeptabel!“ Er sprang auf und zog mit den anderen ab. Nach einer Weile kamen sie zurück und sagten: „Wir Kollegen haben uns eben entschlossen, aus der Gewerkschaft auszutreten, denn wir werden niemals eine Frau als Vorsitzende akzeptieren, und erst recht keine Schwarze!“
Gekürzter Ausschnitt aus: „Frauenhaut“. ISP Atlantik, 25 DM
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