: Raus aus der Arbeitslosigkeit - per Rad
■ Daimler-Benz wie Deutsche Bahn sponsern einen Fahrradverleih - und AB-Maßnahmen. Das gemeinnützige Projekt Bikecity ermöglicht Langzeitarbeitslosen einen Wiedereinstieg ins Berufsleben
Der 24jährige Sandy Ehrke steht etwas unschlüssig vor einer ziemlich verwirrenden technischen Zeichung eines Fahrrades. Er hat, wie die meisten bei Bikecity, schon mehrere Jobs hinter sich, zum Beispiel als Wagenreiniger bei der Bahn und auf dem Bau. „Wenn es möglich wäre, würde ich die Arbeit hier gerne noch etwas länger machen“, sagt er. Aber die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei Bikecity laufen in einem halben Jahr aus.
Bikecity ist ein gemeinnütziges Projekt und ermöglicht 60 Jugendlichen und älteren Langzeitarbeitslosen durch eine ABM-Stelle einen (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben. Das Konzept war denkbar einfach: alte Fahrräder in einer Werkstatt wieder aufbauen und dann verleihen. Vor einem halben Jahr wurde das Projekt eröffnet, und an drei Stationen konnten sich fußmüde BerlinerInnen und TouristInnen für drei Mark pro Tag ein Fahrrad ausleihen. Das Landesarbeitsamt und das Land Berlin haben 2,6 Millionen Mark zur Unterstützung beigesteuert. Mehrere Sponsoren – die SPI Servicegesellschaft, Partner für Berlin, Daimler- Benz AG, Bankgesellschaft Berlin und die Deutsche Bahn – stifteten fast 200.000 Mark.
„Die Anfangsphase lief wider Erwarten gut, wir hatten mit einer Einlaufzeit von einem halben Jahr gerechnet“, rekapituliert Projektleiter Käding. Der Verleih läuft zwar nicht so gut, aber der stand auch nicht im Mittelpunkt der bisherigen Arbeit. Der Schwerpunkt lag vor allem im Aufbau der Fahrräder und weiterer Verleihstationen. Und das hat besser geklappt als erwartet. Insgesamt 800 Fahrräder hat das Projekt gespendet bekommen. Aus den anfänglich drei Verleihstationen sind mittlerweile zehn geworden. Und noch etwas ist gestiegen: der Preis. Lag anfänglich die Gebühr noch bei drei Mark, ist man jetzt erst mit fünf Mark dabei. Zumindest Schüler, Studenten und Azubis. Leute mit BVG-Ticket zahlen acht und Touristen zehn Mark pro Tag.
Der Anspruch an das Projekt war und ist hoch. „Im Mittelpunkt steht zuallererst die soziale Komponente, nicht der Verleih“, erklärt Käding. Dieses Prinzip wird vor allem in den Verleihstationen praktiziert. Hier arbeiten jeweils ein älterer und ein jüngerer Kollege zusammen, was aber nicht immer so reibungslos abläuft. So erzählt Christian, der in der Sation am Hansaplatz arbeitet, daß er lieber in der Werkstatt ist, weil dort mehr Jugendliche sind und es deshalb lustiger zugeht. Er langweilt sich im Verleih, weil es nicht so viel zu tun gibt – und mit den Älteren leider wohl gar nicht so viel zu reden.
Diese „gepflegte Langeweile“ gefällt dagegen gerade seinem Mitarbeiter Wilfried Mockry. Der 56jährige war drei Jahre arbeitslos, bevor er zu Bikecity kam. „Ich bin meistens hier in der Verleihstation, das ist ein schöner, ruhiger Job.“
Durchschnittlich zwei bis vier Jahre waren die Älteren vorher arbeitslos, der längste sieben Jahre. Die meisten Jugendlichen haben nach der Schule keine richtige Ausbildung gemacht, galten als schwer vermittelbar. Es folgten oft diverse Gelegenheitsjobs, bis sie bei Bikecity landeten. Einige waren auch im Gefängnis und sind auf Bewährung draußen.
Da fällt ein Einstieg in ein geregeltes Arbeitsleben nicht leicht. So sind auch einige wieder ausgestiegen, andere mußten entlassen werden, weil sie es nicht schafften, regelmäßig zur Arbeit zu kommen. Dafür rückten aber andere nach, wobei das gar nicht so einfach ist, denn nicht jeder darf hier mitmachen. Die Jugendlichen müssen unter 25 sein und die Älteren seit mindestens 18 Monaten ohne Job.
Für Sandy Ehrke ist das Projekt ein Sprungbrett, so hofft er. „Am liebsten würde ich eine Ausbildung als Kfz-Schlosser machen, aber das wollen viele, und da sind die Chancen natürlich schlecht.“ Dieses Problem sieht auch Projektleiter Käding, aber er betrachtet es so: „Wenn ein Arbeitgeber die Wahl hat zwischen einem Arbeitslosen und jemanden, der ein Jahr fest in einer ABM gearbeitet hat, wen wird er dann wohl nehmen? Sicher den mit der ABM!“ Darum geht es hauptsächlich – die Mitarbeiter wieder an ein geregeltes Arbeitsleben zu gewöhnen.
Was passiert, wenn die Leute aus der ABM rausgehen, ist natürlich eine andere Sache. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind sicher nach wie vor gering. Aber eine Hoffnung bleibt dem Projektleiter: „Wir verhandeln zur Zeit mit den Sponsoren des Projektes. Die wollen vielleicht Ausbildungsplätze oder auch feste Arbeitsplätze für die Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Allerdings steht das noch in den Sternen.“
Genauso wie die gesamte Zukunft des Projekts Bikecity. „Eigenständig wird sich das Projekt nicht tragen. Dazu sind die Kosten und die Zahl der Mitarbeiter viel zu hoch. Aber wir wollen zumindest noch für ein weiteres Jahr die Stellen verlängern“, hofft Käding. Dafür werden gerade Neuanträge beim Arbeitsamt gestellt, die jetzt erst einmal ihren bürokratischen Weg durchlaufen.
Für die weitere Zukunft sieht Käding nur zwei Chancen: Entweder das Projekt wird zu einer Dauer-ABM ausgebaut, das heißt, die Mitarbeiter würden dann nach jeweils einem Jahr wechseln, oder es muß eingestampft werden. Sabine Kühns
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