: Eine magische Nacht in Blau
Nach einem äußerst souveränen 1:1 beim FC Valencia steht Schalke 04 erstmals seit 1970 im Halbfinale eines Fußball-Europacup ■ Aus Valencia Katrin Weber-Klüver
In Valencias „Nacht des Feuers“ war es weit nach Mitternacht, da kamen aus den Katakomben des noch hellerleuchteten Stadions Luis Casanova ein gutes Dutzend junge Männer in dunkelblauen Ausgehanzügen, Plastikwasserflaschen in den Händen und strahlende Begleiterinnen in den Armen. Versonnen spazierten sie auf den leeren Rasen. Auf Haupt- und Gegentribüne verteilt, standen 3.000 Menschen in Kutten, mit blau-weißen Schals und Schirmkappen, auf denen stand „Europa, wir sind da!“ Längst heiser geschrien, nahmen sie das Defilee begeistert auf. Alle waren glücklich.
So gipfelte in einem zauberhaften Moment für Schalke 04, was als sportlicher Höhepunkt der „Fallas“ eine „magische, unvergeßliche Nacht“ (Valencias Trainer Valdano) für den valencianischen Fußball hatte werden sollen. Doch während rund ums Stadion die Stadt sich längst wieder vom Fußball ab- und dem Feiern und Feuerwerk abbrennen im allgemeinen zugewandt hatte, genossen die Schalke-Spieler gemeinsam mit ihren Frauen und Fans ein vereinshistorisches Ereignis: Weil die Mannschaft gegen Valencia C.F. gerade ein 1:1 (Hinspiel 2:0) erspielt hatte, steht der FC Schalke 04 erstmals seit 1970 wieder im Halbfinale eines europäischen Wettbewerbs.
Es war ein schöner Moment für die Erinnerung nach einem Uefa- Cup-Spiel, das überraschend unspektakulär und emotionslos – und damit entgegen allen Erwartungen und Rollenzuweisungen – verlaufen war. Es hatte für Valencia gegolten, die 1993 in Karlsruhe erlittene 0:7-Niederlage „dem deutschen Fußball mit gleicher Münze heimzuzahlen“. Valdano versprach „Passion“ auf dem Rasen und wollte die Zuschauer „entflammt“ erleben. Doch während die Schalker Fans das Ihre taten, um den zu Spielbeginn ohrenbetäubenden Lärmpegel konstant hoch zu halten, verstummten die Valencianer frühzeitig.
Das Spiel ihrer Mannschaft entsprach 90 Minuten lang eher einer Aneinanderreihung von Fehlzündungen denn dem erhofften Feuerwerk. Die großangekündigte Offensive, bei der „jeder jede Minute spielen wird, als sei es die letzte seines Lebens“ (Valdano), verpuffte, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Als Youri Mulder mit der ersten und drittletzten Schalker Chance des gesamten Spiels das 0:1 erzielte (18.), war dieses Viertelfinale entschieden. Es war der Moment, sagte Valdano, „in dem wir die Hoffnung verloren“.
Selbst der Ausgleich kurz vor der Pause änderte an der Lethargie Valencias nichts. Olaf Thon sagte später auf dem Weg zum Nachtflug nach Köln mit Verwunderung, das gesamte Spiel sei „gar nicht schwer“ und „die letzten 20 Minuten sogar ganz locker“ gewesen.
Ohne ihre international noch nicht spielberechtigte neue Leitfigur Ariel Ortega entwickelte Valencias Elf keinerlei bemerkenswerten offensiven Qualitäten. Technisch überlegen, scheiterte sie wie schon im Hinspiel erneut am Unvermögen, der Schalker Kampfstärke Paroli zu bieten. Die Konzentration aller Gästespieler auf die Defensivarbeit war allerdings auch beeindruckend. Meist, wenn ein valencianischer Paß einen Mitspieler finden sollte, war ein Schalker schon da, um die Situation zu klären. Egal ob als Stürmer, wie der hingebungsvoll rackernde Mulder, oder als veritabler Manndecker wie Marco Kurz. Und so untertrieb Trainer Huub Stevens zwar, als er die Schalker Leistung „ganz ordentlich“ nannte. Aber richtig war, daß „alle zusammen“ gewonnen hatten. Schalkes Anhang war hingerissen. Und, ob der souveränen Defensive, spätestens Mitte der zweiten Halbzeit mit den Gedanken schon ganz woanders. Morgen werden in Lausanne die Halbfinals ausgelost. Ob Teneriffa, Mailand oder Monaco – bei der nächsten Reise dabei zu sein, ist Ehrensache. Auch für den Fan auf Valencias Haupttribüne, der verträumt stöhnte: „Mann, das wird wieder teuer!“
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