: Hoffnung für vergewaltigte Ehefrauen
Gruppenantrag zur Reform des Vergewaltigungsparagraphen hat Chancen: Er wird durch Lengsfeld (CDU), Schwaetzer und Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) unterstützt ■ Aus Bonn Tina Stadlmayer
In das jahrelange Gezerre um ein Gesetz gegen die Vergewaltigung in der Ehe ist Bewegung geraten. Am Mittwoch stellten die Frauenpolitikerinnen von SPD und Bündnisgrünen, Ulla Schmidt und Irmingard Schewe-Gerigk, einen Gruppenantrag zur Reform des Paragraphen 177 vor. Auch eine CDU-Abgeordnete und zwei FDP-Parlamentarierinnen haben den Antrag unterschrieben: Vera Lengsfeld, die im Januar zu den Christdemokraten überwechselte, Irmgard Schwaetzer und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Durch die Unterschrift von Lengsfeld sei ein Bann gebrochen, so die Ex-Justizministerin zur taz. „Das wird es mancher CDU-Abgeordneten erleichtern zuzustimmen.“ Damit besteht zum ersten Mal seit langem die Chance, daß ein Gesetzentwurf der Opposition mit Stimmen aus der Regierungskoalition angenommen wird.
Vera Lengsfeld hat den Gruppenantrag unterschrieben, weil sie die „Widerspruchsklausel“ im Regierungsentwurf ablehnt. Diese Klausel gibt der Frau die Möglichkeit, das gerichtliche Verfahren gegen ihren Mann zu stoppen. Damit wird eine Vergewaltigung im Ehebett weicher gewertet als eine Vergewaltigung im Park, und die Ehefrau wird der Bedrohung und Erpressung durch ihren Mann ausgesetzt. Außer Lengsfeld sehen dies mindestens fünfzehn weitere Unionsabgeordnete so – allen voran Finanzstaatssekretärin Irmgard Karwatzki, Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth und die Berlinerin Wilma Glücklich. Sie baten ihren Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble mehrmals, die Abstimmung freizugeben.
Inzwischen stärkt ihnen ein Beschluß der NRW-Frauenunion den Rücken. Darin heißt es: „Die Widerspruchsregelung ist eine deutliche Mißachtung der Frauen, denen von ihren Ehemännern die schlimmste Form der Gewalt angetan wurde. Die Erfahrung zeigt, daß ein brutaler Ehemann nicht untätig zusehen wird, wenn seine Frau ihn angezeigt hat. Die Möglichkeit der Straffreiheit fordert die Täter geradezu heraus, ihre Ehefrauen zum Widerspruch zu zwingen.“
Doch Frauen werden nicht nur von gewalttätigen Ehemännern eingeschüchtert und bedroht. Auch im Parlament funktioniert der alte Mechanismus: Im vergangenen Oktober stimmte der Bundestag über einen Antrag des Vermittlungsausschusses zum Gesetz gegen die Vergewaltigung in der Ehe ab. Schäuble hatte seinen Leuten eingeschärft, wer mit der Opposition votiere, werde Schwierigkeiten bekommen. Prompt kuschten auch die fünfzehn – überwiegend weiblichen – Revoluzzerinnen. Auch in der FDP-Fraktion hatte es Druck gegeben. Dennoch setzten fünf Abgeordnete ihr Recht durch, mit der Opposition stimmen zu dürfen.
Damit waren die Gegner der Widerspruchsklausel rechnerisch in der Mehrheit. Dummerweise waren aber gerade an diesem Tag einige Abgeordnete von PDS und Bündnisgrünen krank, so daß das Gesetz – ohne Widerspruchsklausel – doch nicht durchkam. Seitdem bearbeiteten die SPD-Abgeordnete Ulla Schmidt und ihre grüne Kollegin Irmingard Schewe- Gerigk die Unionskolleginnen einzeln. Immerhin ist es ihnen gelungen, Vera Lengsfeld auf ihre Seite zu bringen.
Ob Rita Süssmuth, Irmgard Karwatzki und die anderen Gegnerinnen der Widerspruchsklausel diesmal ihren Fraktionsvorsitzenden überzeugen können, die Abstimmung freizugeben, steht noch nicht fest. Ulla Schmidt versprach, ihre Partei werde auf „Triumphgebrüll“ verzichten, wenn der Antrag durchkomme. Der Gruppenantrag sei ein Kompromißvorschlag. Er entspreche wörtlich dem Regierungsantrag, nur die Widerspruchsklausel fehle: „Damit sind wir auf die Koalitionsparteien zugegangen, denn unser eigener Entwurf hätte etwas anders ausgesehen.“
Auch die Grünen konnten dem Kompromiß nur zähneknirschend zustimmen. Sie werden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens versuchen, eine Änderung durchzubringen. Der Entwurf sieht nämlich eine niedrigere Mindeststrafe für die Vergewaltigung „widerstandsunfähiger“ Personen, also geistig oder körperlich Behinderter vor. Das, so Irmingard Schewe- Gerigk, könne auf keinen Fall so bleiben.
Unterdessen wittern jene Rechtsaußen Morgenluft, die das Gesetz immer schon für überflüssig hielten. Sollte der Gruppenantrag zur Reform des Paragraphen 177 scheitern und der Regierungsentwurf mit der Widerspruchsklausel ebenfalls keine Mehrheit bekommen, hätten sie ihr Ziel erreicht: Alles bliebe beim alten, eine Vergewaltigung im Ehebett bliebe weiterhin ungesühnt. Ulla Schmidt zornig: „Dann hilft nur noch ein Regierungswechsel.“
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