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Dichte Menschentrauben in Castrop

■ Über 7.500 Besucher auf der CannaBusiness: Die Szene feiert sich selbst und zeigt, daß der Roh- und Rauchstoff gesellschaftsfähig ist

Nur einigen wenigen war am Ende der Veranstaltung nicht nach breitem Grinsen zumute. „Die drei Tage waren im besten Fall ein Plusminusnull-Geschäft“, sagt der Verkäufer an dem riesigen Süßwarenstand enttäuscht. Ganz offensichtlich hatte er mit einem größeren Heißhunger auf Sweeties der hier anwesenden Klientel gerechnet.

Vom 29. November bis 1. Dezember fand in der Europahalle in Castrop-Rauxel die 1. Internationale CannaBusiness statt, die bis dato größte Messe zum Thema Hanf in Deutschland. Über 7.500 Besucher wollten sich an diesen drei verregneten Tagen über den neuesten Stand in Sachen Hanf kundig machen. 20 Mark pro Person kostete der Eintritt, ermäßigt 15 Mark. Rund 120 Aussteller aus elf verschiedenen Ländern präsentierten dem interessierten Publikum Bekanntes und Neues aus dem immer breiter werdenden Hanfspektrum: Rauchgeräte aller Art und Größe, Textilien und Kosmetika aus Hanf, umfangreiches Zubehör für Self-Grower, Joint- Rollmaschinen, Snowboards aus Hanf und vieles mehr.

Insbesondere vor den Ständen mit den umfangreichen Parapherneliaangeboten bildeten sich immer wieder dichte Menschentrauben. Vor allen Dingen die jüngeren Besucher und Cannabisfreunde bekamen beim Anblick der zahlreichen und zum Teil außergewöhnlichen Rauchgeräte leuchtende Augen. So manch einer kramte sein letztes Taschengeld zusammen, um eines der vielversprechenden Bongs oder Chills sein eigen nennen zu können.

„Es ist schön, hier alles zusammen zu sehen, den Nutz- und den Genußhanf“, sagt Ben Dronkers, Gründer der Sensi Seed Bank, der wohl bekanntesten Cannabissamenproduktionsstätte in den Niederlanden. Allein in Deutschland beliefert Sensi Seed über 100 Grow-Shops mit ihren Qualitätssamen für Eigenanbauer. Die Geschäftsführung der Firma hat Ben Dronkers inzwischen seinem Sohn Alan übertragen. Er selbst widmet sich hauptsächlich der Etablierung des Nutzhanfs in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma Hempflax. „In Zusammenarbeit mit insgesamt 100 Bauern baut Hempflax in den Niederlanden und Deutschland auf rund 1.300 Hektar Nutzhanf an, der zu Hanfstroh und Hanffaserprodukten wie beispielsweise Dämmstoffen verarbeitet wird“, so Dronkers. Er betont immer wieder die ökonomische Bedeutung des aufkommenden Wirtschaftszweiges. „Hanf schafft Arbeitsplätze“, so sein Credo. „Bei der Sensi Seed Bank sind 40 und bei Hempflax 25 Leute beschäftigt.“

Auch Ekkehard Böhme, Geschäftsführer bei UDOPEA, einem der ältesten Headshops in Deutschland, ist mit der Resonanz zufrieden: „Besonders den internationalen Charakter – seitens der Aussteller und der Besucher – finde ich hervorragend.“ Er tritt jedoch ein wenig auf die Euphorie- Bremse. „Viele sehen im Cannabismarkt einen Markt mit schier unendlichen Wachstumsmöglichkeiten. Kiffer haben in ihrem Bekanntenkreis fast nur Kiffer und meinen deswegen, daß alle rauchen. Im Moment springen viele auf den fahrenden Zug auf, aber der Markt ist begrenzt. Meines Erachtens werden die ersten Läden bald wieder zumachen müssen“, so Böhme. „Die Zahl der Kiffer wird sich auch im Fall einer Legalisierung nicht entscheidend verändern. Das einzige, was dann passieren könnte, ist, daß sich die Dunkelziffer erhellt.“

Parallel zur Messe fand in mehreren Räumen eine öffentliche Konferenz zum Thema Hanf in seiner ganzen Bandbreite statt. Prominente Referenten wie beispielsweise Mediziner Robert W. Gorter (Initiator einer Cannabisstudie) und Mathias Bröckers (Gründer der HanfHaus-Kette) standen dem Publikum Rede und Antwort zu allen Fragen, die sich um das Thema drehten. Bei den meisten Vorträgen fanden sich jedoch nur wenige Zuhörer ein, obwohl die Teilnahme kostenlos war. Ganz offensichtlich war der größte Teil der Besucher an der greifbaren Praxis mehr interessiert als an der trockenen theoretischen Auseinandersetzung.

Obschon hier und da Rauchwolken undefinierbaren Inhalts aufstiegen, wie es Veranstalter Frank Zander von der Tri Tec GmbH ausdrückte, hielt sich die Polizei während der Messe im Hintergrund. Trotz der „neuen Qualität“ der Veranstaltung habe man keine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz feststellen können, sagte Dieter Post, Kriminalhauptkommissar der Kripo Castrop- Rauxel.

Am Rande der CannaBusiness wurde auf der CannaParty erstmals der HANF!-Preis der Freiburger HANF!-Medien GmbH verliehen. Seit vielen Jahren bemühen sich Einzelpersonen um die Etablierung des Hanfs und setzen sich beispielhaft dafür ein. Mit diesem Preis sollten daher erstmals verdienstvolle Akteure gewürdigt und andere motiviert werden, es ihnen gleichzutun.

Die Preisträger im einzelnen: In der Rubrik „Pionier“ wurde der US-Amerikaner Jack Herer für sein Lebenswerk geehrt. Der amerikanische Autor Ed Rosenthal würdigte in seiner Laudatio Herers Einsatz und sagte, ohne Herer gäbe es eigentlich keine Hanfbewegung. In der Kategorie „Publizistik“ wurde Mathias Bröckers, Herausgeber des Buches „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf“ (Autor: Jack Herer) ausgezeichnet. Den Preis für „Forschung und Entwicklung“ erhielt Michael Karus vom nova-Institut für die Ausrichtung des technisch- wissenschaftlichen Symposiums auf der „Biorohstoff Hanf 1996“. Stellvertretend für die Selbsthilfegruppe „Cannabis als Medizin“ nahm Alexander Remmele die Auszeichnung in der Sparte „Medizin“ entgegen. Die Tri Tec GmbH in Person von Frank Zander und Emil Riechmann wurde im Bereich „Marketing und Wirtschaft“ für ihre Arbeit ausgezeichnet.

„Aufgrund der großartigen Resonanz wird die CannaBusiness in diesem Jahr wieder stattfinden“, so Emil Riechmann. „Und zwar wieder in Castrop-Rauxel, vom 19. bis 21. September.“ Volker Wartmann

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